Weihnachten ist hier übrigens auch ein ziemlich großes Ding, obwohl doch viele Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Religionen in San Francisco leben. Die meisten Familien feiern Weihnachten, auch wenn ihre Religion ein anderes Fest in den Mittelpunkt stellt. In der Tagesstätte, in der ich arbeite, bemüht man sich, die wichtigsten Feste der verschiedenen Religionen den Kindern nahezubringen. So wird momentan nicht nur über Weihnachten gesprochen, sondern über das jüdische Fest Hanukah (Fest des Lichtes), was auch im Dezember gefeiert wird, und über Kwanzaa, was einige afro-amerikanische Familien sozusagen als ihr Weihnachtsfest feiern. Für mich ist das alles hochspannend und ich bin schon etwas beschämt, wie wenig ich von den einzelnen Religionen und Traditionen bisher wusste.
Ansonsten ist Weihnachten natürlich der Kommerz pur. Alles glitzert und funkelt und die Geschäfte überbieten sich mit ihren Schaufensterdekorationen. Vor dem Spielzeuggeschäft FAO Schwarz sind z.B. Absperrungen aufgebaut, damit sich Kunden brav in die Schlange anstellen können. Wenn der "Run" auf die Spielsachen zu groß ist, sorgt der Sicherheitsmensch dafür, dass Kunden nur noch dann Einlass gewährt wird, wenn andere Kunden das Geschäft verlassen. Vor diesem eben erwähnten Geschäft hat sich am Samstag, als wir in der Stadt waren, übrigens eine groteske Szene abgespielt. Ein Straßenhändler, der bunte Plastikrentiergeweihe (Viecher, die den Schlitten von Santa Claus, dem amerikanischen Weihnachtsmann, ziehen) verkaufte und auch eines aufgesetzt hatte, bekam von einem Polizisten Handschellen angelegt (wir wissen auch nicht warum). Nachdem der Polizist dies erledigt hatte, hielt er einen netten Plausch mit dem Straßenhändler, man hätte glauben können, sie wären die dicksten Freunde. Und ich schwöre, dass dort kein Film für Hollywood gedreht wurde.
Im Tenderloin, wo ich arbeite, werden die Kinder gerade mit Geschenken überschüttet, weil irgendwelche Firmen Sachspenden machen. Leider konzentriert sich alles um die Weihnachtszeit und danach denkt keiner mehr so recht an die Kinder. Überhaupt wäre es meiner Meinung nach sinnvoller, Geld zu spenden, aber so haben die Kinder mittlerweile eine ganze Stofftiersammlung beisamen, mit der sie nicht viel anzufangen wissen. Auch müssen wir mit den Kindern andauernd zu irgendwelchen Weihnachtsparties. Das ist einerseits ganz nett. So waren die Kinder z.B. zu einem Kinderballet eingeladen und danach gab es für alle Kinder Lunch. Das war echt super-professionell aufgezogen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Sponsoren natürlich sichergehen wollen, dass die Bevölkerung auch von ihrer großzügigen Spende erfährt. Also müssen die Kinder vor Fernsehkameras und Fotoapparaten posieren. Bei der einen Party kam zum guten Schluss noch der Bürgermeister und ließ sich mit einigen Kindern fotografieren, woraufhin er gleich wieder verschwand. That's life!
Michaels AOL-Weihnachtsfeier hat auch schon stattgefunden und selbst ich hatte von meiner Einrichtung aus eine Weihnachtsfeier. Meine Weihnachtsfeier war extra für die diversen Volunteers (freiwilligen Helfer) der Einrichtung als Dankesfeier organisiert. Die festen Mitarbeiter haben für uns das Essen zubereitet und es gab sogar Geschenke für uns. Das ist etwas, was ich sehr schätze an der Einrichtung: Man hat als Volunteer dort wirklich das Gefühl, dass das Engagement, was man einbringt, sehr geschätzt wird und eben nicht selbstverständlich ist. Menschlich gesehen fühle ich mich dort immer wohler, obwohl ich den pädagogischen Ansatz auch weiterhin nicht in vollen Zügen teilen kann, aber ich lerne viel und kann für mich selbst viel mitnehmen.