Angelika Leider muss ich jetzt an den meisten Tagen länger im Auto sitzen, um an meinem neuen Arbeitsplatz zu gelangen. Der Verkehr ist mittlerweile fast genauso schlimm wie vor der Pandemie, vor allen Dingen dienstags, mittwochs und donnerstags, denn dann besteht Anwesenheitspflicht in den meisten Firmen des Silicon Valleys wie Facebook, Google, Apple. Verkehrspolitisch bewegt sich wenig in diesem Land, selbst in Kalifornien. Seit Jahrzehnten wird darüber gestritten und an dem Projekt eines Schnellzugs zwischen San Francisco und Los Angeles herumgedoktert. Auch Pläne, die BART, also das U-Bahn-System der Bay Area, weiter auszubauen, scheitern immer wieder, weil die Kosten zu hoch sind. Alles geht schleichend langsam.
Schlaue Köpfe haben nun den Ausbau von sogenannten "Express Lanes" auf den Freeways in Angriff genommen. Nur weiß ich nicht, ob dies wirklich so clever ist und die verkehrspolitische Wende vorantreiben wird. Diese schnellen Spuren auf den amerikanischen Autobahnen gibt es eigentlich schon lange, vor allen Dingen in Los Angeles. Die ursprüngliche Idee war, Autofahrer dafür zu belohnen, nicht alleine im Auto zu sitzen sondern zu Fahrgemeinschaften zu animieren. Hat der Autofahrer Mitfahrer im Auto, kann er zu Stoßzeiten die Fahrgemeinschaftsspuren ("Carpool Lanes") benutzen, die in der Theorie weniger verstopft sind, d.h. man kommt schneller ans Ziel. Auch Elektroautos mit einem Clean-Air-Sticker an der Stoßstange dürfen auf diese besonderen Fahrbahnen, selbst dann wenn nur der Fahrer im Auto sitzt.
Auf der Autobahn mit der Nummer 101, die von San Francisco runter ins Silicon Valley führt, gibt es jetzt über weite Strecken auch noch kostenpflichtige Express-Spuren. Sitzt der Autofahrer allein im Auto und will diese Spuren benutzen, muss er in der Zeit von 5 Uhr morgens bis 20 Uhr abends extra zahlen, während Elektroautos und Fahrgemeinschaften Preisvergünstigungen erhalten: Für Elektroautos sowie Autos mit zwei Insassen kostet es die Hälfte. Ab drei Insassen und für Motorradfahrer sind die Spuren kostenfrei. Jeder, der die Spur benutzen will, egal wieviel Leute im Auto sitzen, braucht ein sogenanntes Fastrak-Gerät (Rundbrief 04/2006), also einen kleinen Transponder im Auto, der mit einem Konto bei der Caltrans-Behörde verlinkt ist. Bei einer neuen Version des Geräts, dem Fastrak Flex, kann man einstellen, wieviele Leute im Auto sitzen (Abbildung 3). Kameras über dem Express-Spuren machen Fotos von den Nummernschildern, um zu überprüfen, ob das Auto Fastrak hat, denn ohne kostet es Strafe.
Das verrückte an der Sache ist nun, dass die Express-Spuren eine dynamische Preisgestaltung haben. Je mehr Stau ist, je teurer wird es, die schnellen Spuren zu benutzen. Große Schilder über der Schnellspur zeigen an, wieviel der Teilabschnitt von hier bis zu bestimmten Ausfahrten gerade kostet. Das kann von 50 Cent bis zu 12 Dollar rangieren. Von San Francisco nach Mountain View gibt es mehrere Teilabschnitte. Ist viel Verkehr und benutzt man nur die Express-Spuren, läppert sich das ganz schön. Angeblich soll der Verkehrsfluss durch die Express-Spuren verbessert werden. Ich wage das zu bezweifeln. Die Einnahmen, die die Spuren generieren, wird angeblich in den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln gesteckt. Das wäre ja löblich, bloß muss dann auch einmal etwas vorwärtsgehen. Ich würde zum Beispiel liebend gern mit dem Zug von San Francisco nach Mountain View fahren. Es gibt sogar einen schnellen Regionalzug, den sogenannten "Bullet Train", aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Bahnstation zu kommen ist sehr schwierig und zeitaufwendig, so dass das Auto selbst bei extrem hohem Verkehrsaufkommen immer noch wesentlich schneller ist.