21.09.2013   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 103  
San Francisco, den 21.09.2013


Abbildung [1]: Sehen und gesehen werden an der Strandpromenade von Venice Beach.

Michael Einwohner der Stadt San Francisco und der umliegenden "Bay Area" können Los Angeles ja auf den Tod nicht ausstehen, aber wir stehen bekanntlich über solchen Vorurteilen und fahren hin und wieder runter. Dazu muss man sagen, dass der Amerikaner, wenn er "Los Angeles" sagt gar nicht nur die Innenstadt selbst meint, sondern eine Ansammlung von ein paar Dutzend Vororten, die sich lose zu einer Metropole zusammenkoppeln, in der 20 Millionen Menschen leben. Jeder dieser Vororte ist komplett anders, und wer Los Angeles queerbeet pauschal beurteilt, hat schlichtweg keine Ahnung.

Abbildung [2]: Am kilometerlangen Sandstrand von Venice Beach fährt man am besten auf einem "Beach-Cruiser" entlang.

Wir fühlen uns zum Beispiel in "Venice" sehr wohl. Diese Gegend von L.A. kennt ihr vielleicht wegen dem "Muscle Beach", an dem bekanntlich schon Arnold Schwarzenegger in den Achziger-Jahren seine Muskeln in dem öffenlichen Freiluft-Fitnesscenter am Strand stärkte. Heutzutage stemmt dort kaum noch jemand Hanteln, aber wir haben uns Fahrräder gemietet und sind am breiten Sandstrand entlang fast bis hoch nach Malibu gefahren. In Abbildung 2 seht ihr Angelika mit einem sogenannten Cruiser-Fahrrad, einer Art Hollandfietze mit extra breitem Sattel und bequem montierten Lenker zum langsamen Entlangdüsen an der Strandpromenade. Hat schlappe $20 pro Tag und Fahrrad gekostet. Zum Vergleich: Mietautos in Los Angeles kriegt man ebenfalls oft schon für $20 am Tag! Im Korb von Angelikas Fahrrad in Abbildung 2 liegt übrigens, wenn ihr das Bild vergrößert und genau hinseht, ein Rucksack mit einem unauffälligen "Y!"-Logo. Das ist, sagt's nicht weiter, das geheime Erkennungszeichen eines Yahoo-Mitarbeiters. Neulich hat uns in Las Vegas jemand deswegen im Hotelaufzug angesprochen.

Abbildung [3]: Hat auch schon bessere Zeiten gesehen: Die Hantelschwinger-Plattform am Muscle-Beach.

Die Strandpromenade ist heutzutage eine interessante Mischung aus Touristen, gestrandeten Existenzen, zwielichtigen Gestalten und Obdachlosen. Im Winter braucht ihr da nicht hinzufahren, aber im Sommer ist dort echt die Hölle los. Am Strand kann sich jeder, der eine Trommel besitzt, den Trommlern von Venice Beach anschließen und stundenlang heiße Rhythmen hämmern. Händler bieten allen möglichen Krimskrams vom Henna-Tattoo bis zu bemalten Totenköpfen feil, in den Läden an der Promenade steht ein breites Sortiment zum Verkauf, von Touri-Läden mit T-Shirts mit anzüglichen Aufdrucken, über Tätowier-Studios, oder Doktoren, die für $40 ein Rezept für medizinisches Marihuana ausstellen, bis zum Haschpfeiferlgeschäft ist da eigentlich alles dabei.

Abbildung [4]: Diese Mitarbeiter lotsen Touristen in eine Praxis, in der ein Arzt für 40 Dollar ein Rezept für medizinisches Marihuana ausstellt.

Das Ganze ist nicht immer ganz aufgeräumt, die nicht gerade für ihre Zimperlichkeit bekannte Bullerei von L.A. ist ständig präsent und schreitet hin und wieder ein wenn eine verkrachte Existenz durchdreht, aber alles läuft erstaunlich gewaltfrei ab. In den dunklen Gassen abseits der Promenade sollen angeblich öfter Leute ausgeraubt werden, allerdings sind wir noch nie auch nur in eine annähernd brenzlige Situation geraten. Gut, gut, hin und wieder muss man mal über einen verrückten Obdachlosen steigen, der sich quer auf den Gehweg hingelegt hat oder ein Irrer schreit irre rum, aber wir sind aus San Francisco ja einiges gewöhnt und machen uns da weiter keinen Kopf.

Abbildung [5]: Typisch Los Angeles: Modetrend Riesenhund.

Dann ist da noch die Nobelecke von Venice, von der der Ort seinen Namen hat: Das Viertel mit den kleinen Venedig-gleichen Kanälen. Dort stehen hauptsächlich Ferienhäuser der Superbonzen, die allerdings die meiste Zeit leer stehen, sodass das Ganze einen etwas gespenstischen Eindruck macht, obwohl die Häuser wirklich geschmackvoll gebaut und eingerichtet sind.

Abbildung [6]: Tourist, auf einer Brücke im Kanalviertel von Venice sitzend.

Los Angeles zeichnet sich vor allem durch eine Vielzahl von absoluten Weltklasserestaurants aus. Auch wenn auf den Straßen nicht immer alles blitzblank gewienert ist, unterliegt auch jede noch so kleine Spelunke dem strengen Gesundheitsamt der Stadt, das in regelmäßigen Abständen durch strenge Kontrollen sicherstellt, dass nach strikten Hygienevorschriften gekocht und serviert wird. Jedes Etablissement muss die vom Gesundheitsamt vergebene Sauberkeitsnote (von A-C) groß und breit im Fenster aushängen (Rundbrief 03/2009). Ich habe dort noch nie etwas anderes als ein "A" gesehen, alles andere würden die verwöhnten Einwohner von Los Angeles vermutlich niemals betreten.

Abbildung [7]: Sehen und gesehen werden am Boardwalk von Venice Beach.

Und das Essen ist tatsächlich spektakulär. Besonders in der Kategorie "Sushi" müsst ihr euch das so vorstellen: Sushi-Restaurants in der Bay Area rund um San Francisco sind im Schnitt ungefähr zehmal besser als in Deutschland. Was in Deutschland an Sushi serviert wird, würde man in der Bay Area nicht mal einem Hund vorsetzen. Fährt man dann runter nach Los Angeles, ist das Sushi auf einmal nochmal zehnmal so gut, unvorbereitete deutsche Touristen würden einen bleibenden Sushischock erleiden! Und wer jetzt meint "mein Gott, der Alte ist ja völlig übergeschnappt, mein superteurer Edeljapaner in München produziert erstklassiges Sushi", der schaut sich am besten die Dokumentation "Jiro -- Dreams of Sushi" an und lernt, dass zu erstklassigem Sushi weit mehr gehört, als frischen Fisch (den es in München ja nicht mal eingeflogen gibt!) in Scheiben zu schneiden. Rundbriefleser wissen mehr.

Abbildung [8]: Was diese drei Schlingel wohl gerade aushecken?

In Los Angeles herrscht eine gnadenlose Konkurrenz zwischen den Restaurants, es gibt so viele gute, dass die Leute total verwöhnt sind und sofort herummäkeln, wenn irgend etwas nicht hundertprozentig schmeckt. Das spornt auch den Betreiber der kleinsten Spelunke an, denn falls das Essen nichts taugt, spricht sich das schnell auf Internetseiten wie Yelp herum, und er kann den Laden wegen gähnender Leere dichtmachen.

Abbildung [9]: In Los Angeles gibt es tatsächlich ein Restaurant namens "Wurstküche".

Und natürlich schmeckt in einem brodelnden Topf gemischter Nationen wie Los Angeles internationales Essen allgemein ganz hervorragend. Ob das nun Sandwiches vom Miniladen um die Ecke sind, der Spanier in der kleinen Gasse oder ein deutsch angehauchtes Wurstetablissement namens "Wurstküche", in dem der Barmann Kellerbier der Firma "Zwickl" aus Bayreuth ausschenkt: Immer ist irgendein besonderer Kick dabei, damit sich ein Laden aus der unüberschaubaren Masse abhebt.

PDF Drucken
RSS Feed
Mailing Liste
Impressum
Mike Schilli Monologues


Auf die Email-Liste setzen

Der Rundbrief erscheint in unregelmäßigen Abständen. Wer möchte, kann sich hier eintragen und erhält dann alle zwei Monate eine kurze Ankündigung per Email. Sonst werden keine Emails verschickt.

Ihre Email-Adresse


Ihre Email-Adresse ist hier sicher. Die Rundbrief-Redaktion garantiert, die angegebene Email-Adresse nicht zu veröffentlichen und zu keinem anderen Zweck zu verwenden. Die Mailingliste läuft auf dem Google-Groups-Service, der sich ebenfalls an diese Richtlinien hält. Details können hier eingesehen werden.
Alle Rundbriefe:
2024 153 154 155
2023 148 149 150 151 152
2022 143 144 145 146 147
2021 138 139 140 141 142
2020 133 134 135 136 137
2019 129 130 131 132
2018 125 126 127 128
2017 120 121 122 123 124
2016 115 116 117 118 119
2015 111 112 113 114
2014 106 107 108 109 110
2013 101 102 103 104 105
2012 96 97 98 99 100
2011 91 92 93 94 95
2010 85 86 87 88 89 90
2009 79 80 81 82 83 84
2008 73 74 75 76 77 78
2007 66 67 68 69 70 71 72
2006 59 60 61 62 63 64 65
2005 54 55 56 57 58
2004 49 50 51 52 53
2003 43 44 45 46 47 48
2002 36 37 38 39 40 41 42
2001 28 29 30 31 32 33 34 35
2000 20 21 22 23 24 25 26 27
1999 13 14 15 16 17 18 19
1998 7 8 9 10 11 12
1997 1 2 3 4 5 6
1996 0

Rundbriefe 1996-2016 als PDF:
Jetzt als kostenloses PDF zum Download.

Spezialthemen:
USA: Schulsystem-1, Schulsystem-2, Redefreiheit, Waffenrecht-1, Waffenrecht-2, Krankenkasse-1, Krankenkasse-2, Medicare, Rente, Steuern, Jury-System, Baseball, Judentum
Immigration: Visa/USA, Warten auf die Greencard, Wie kriegt man die Greencard, Endlich die Greencard, Arbeitserlaubnis
Touren: Alaska, Vancouver/Kanada, Tijuana/Mexiko, Tokio/Japan, Las Vegas-1, Las Vegas-2, Kauai/Hawaii, Shelter Cove, Molokai/Hawaii, Joshua Nationalpark, Tahiti, Lassen Nationalpark, Big Island/Hawaii-1, Big Island/Hawaii-2, Death Valley, Vichy Springs, Lanai/Hawaii, Oahu/Hawaii-1, Oahu/Hawaii-2, Zion Nationalpark, Lost Coast
Tips/Tricks: Im Restaurant bezahlen, Telefonieren, Führerschein, Nummernschild, Wohnung mieten, Konto/Schecks/Geldautomaten, Auto mieten, Goodwill, Autounfall, Credit Report, Umziehen, Jobwechsel, Smog Check
Fernsehen: Survivor, The Shield, Curb your Enthusiasm, Hogan's Heroes, Queer Eye for the Straigth Guy, Mythbusters, The Apprentice, The Daily Show, Seinfeld
Silicon Valley: Netscape-1, Netscape-2, Netscape-3, Yahoo!
San Francisco: SoMa, Mission, Japantown, Chinatown, Noe Valley, Bernal Heights
Privates: Rundbrief-Redaktion
 

Kommentar an usarundbrief.com senden
Lob, Kritik oder Anregungen? Über ein paar Zeilen freuen wir uns immer.

In der Textbox können Sie uns eine Nachricht hinterlassen. Wir beantworten jede Frage und jeden Kommentar, wenn Sie ihre Email-Adresse in das Email-Feld eintragen.

Falls Sie anonym bleiben möchten, füllen Sie das Email-Feld bitte mit dem Wort anonym aus, dann wird die Nachricht dennoch an uns abgeschickt.

Ihre Email-Adresse


Nachricht

 
Impressum
Letzte Änderung: 20-Jul-2014