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Rundbrief
  Rundbrief Nummer 55  
San Francisco, den 01.07.2005
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Abbildung [1]: Vancouver: Modernes Kanada, Hafen vor Hochhäusern

Angelika: Schon lange wollten wir unseren kanadischen Nachbarn im hohen Norden einen Besuch abstatten. Im April war es endlich soweit. Wir setzten uns ins Flugzeug und starteten ins kanadische Vancouver durch, denn schon so viele hatten diese Stadt in den höchsten Tönen gelobt. Kanada wird ja häufig in einen Topf mit den USA geworfen, was die Kanadier zurecht aufregt. Es stimmt zwar, dass vieles gleich ist: So überraschte uns zum Beispiel, dass das Englisch in Vancouver genauso klang wie das in Kalifornien -- keinen kanadischen Akzent konnten unsere Ohren ausmachen.

Auch die Trinkgeldsitten sind austauschbar. Geht man essen, wartet der Gast brav bis die Empfangsdame einen an den Tisch führt. Und die Unsitte, dass die Steuern nicht schon im Endpreis mitaufgefürt werden, kennt der Herr Kanadier ebenfalls. Dafür gibt es dann gleich zwei verschiedene Verkaufssteuern: die staatliche und die der jeweiligen kanadischen Provinz. Trinkt man im Restaurant Alkohol, kommt noch eine dubiose Alkoholsteuer hinzu. Die Taxifahrer stöhnen genauso wie überall auf der Welt über die Höhe der Steuern und die obligatorische amerikanische Kaffeehauskette "Starbucks" gibt es ebenfalls an jeder Ecke. Auf der anderen Seite kennen die Kanadier solche Errungenschaften wie eine nationale Krankenkasse für alle und Vancouver bietet ein öffentliches Verkehrssystem, das zuverlässig nach Fahrplan fährt. Gleich bei der Ankunft fiel uns auf, dass Vancouver viel sauberer und weniger "verhaut" ist als amerikanische Städte mit vergleichbaren Ausmaßen.

Abbildung [2]: Vancouver: Oller Ureinwohner-Krempel im anthropologischen Museum

Trotz dieser freundlichen Bedingungen kamen wir bei der Einreise nicht um die kanadische Grenzkontrolle herum. Vor den Terroranschlägen in Amerika war es wohl recht locker, als amerikanischer Staatsbürger oder Greencard-Besitzer nach Kanada einzureisen. Aber das war einmal. So legten wir brav unseren deutschen Pass und unsere amerikanische Greencard vor. Ansonsten verhielten wir uns aber, als hätten wir noch nie vor einem Beamten irgendeiner Einwanderungsbehörde gestanden. Als man uns nämlich fragte, was uns nach Kanada führte, schwiegen wir beide zunächst beharrlich, nur um dann gleichzeitig das Reden zu beginnen, was die Beamtin hinter ihrem Schalter gleich mißtrauisch vermuten ließ, dass wir unsere Geschichten nicht aufeinander abgestimmt hätten. Wir überzeugten sie dann aber in Windeseile davon, dass wir nur zu rein touristischen Zwecke kanadischen Boden betreten wollten.

Auf der Rückreise stolperten wir gleich wieder über eine "Einwanderungsfalle". Gleich beim Einchecken am Alaska-Airlines- Schalter am Flughafen in Vancouver fiel uns auf, dass sich neben und hinter dem Schalter kein Laufband für das Gepäck befand. "Seltsam!", dachte ich mir noch. Und schon forderte uns die freundliche Dame auf, während sie uns unsere Bordkarten reichte, mit unserem Gepäck hinter den Schalter zu treten, also genau da, wo sonst das Gepäck verschwindet. Weitere Erklärungen gab es nicht. Also schlenderten wir mit dem Gepäck einen Gang entlang, bis wir vor dem Duty-Free-Shop standen, vor dem eine weitere Tante in Uniform stand, die nach unserer amerikanischen Zollerklärung fragte.

Das verwirrte uns nun vollends, denn diese füllt man normalerweise frühstens im Flugzeug aus, denn schließlich befanden wir uns ja noch in Kanada. Sie deutete dann auf kleine Pulte mit den Formularen und wies uns an, mit dem ausgefüllten Formular zu ihr zurück zu kommen. Gesagt, getan. Nachdem sie die Zollerklärung begutachtet hatte, durften wir samt Zollerklärung und Gepäck durch den Duty-Free-Shop stapfen und standen plötzlich vor den Schaltern der amerikanischen Einwanderungsbehörde. Zumächst dachten wir, wir befänden uns im falschen Film. Nur nocheinmal zur Erinnerung: Wir befanden uns immer noch im Flughafengebäude in Vancouver. Aber nein! Wir reisten sozusagen in Vancouver schon wieder in die USA ein. Hinter den Schaltern der Einwanderungsbehörde erbarmte man sich auch schließlich unseres Gepäcks. In San Francisco sparten wir uns somit die Passkontrolle und landeten gleich in dem Terminal für die amerikanischen Inlandsflüge.

Abbildung [3]: Vancouver: Noch mehr Hochhäuser

Ansonsten überraschte uns, wie hypermodern Vancouver ist. Überall ragen architektonisch ausgefuchste Wolkenkratzer in den Himmel und gebaut wird wie nichts Gutes. Vancouver, so bestätigte man uns mehrfach, boomt und jeder will hier wohnen. Es fehlte uns allerdings etwas das Alte und Gemütliche. Es gibt zwar eine für den Touristen hergerichtete "Old Town" und auch ein chinesisches Viertel besitzt Vancouver, was allerdings den Vergleich mit San Franciscos Chinatown nicht standhält. Der Reiz der Stadt lag für uns in der landschaftlichen Schönheit: von Wasser umgeben, die Berge als Panorama und ein riesiger Park, der Stanley Park, mitten in der Stadt. Besonderen Spaß machte es uns mit den kleinen Fähren, die einen wie Taxis von einem Punkt zum anderen bringen, auf dem Wasser herum zu schippern. Und neidlos mussten wir anerkennen, dass Vancouver sich kulinarisch sehr wohl mit San Francisco messen kann. Die Restaurants, die wir besuchten, waren vielfältig und ausgezeichnet.

Abbildung [4]: Die putzige kleine "Aquabus"-Fähre

Abbildung [5]: Politisch korrekte Reklame

Michael: Wenn ein Konzern in einer Stadt wie San Francisco Werbung betreibt, muss er genau aufpassen, dass er auch alle Bevölkerungsgruppen gleichwertig behandelt. Da in der kunterbunten Stadt 44% Weiße, 31% Asiaten, 14% Latinos und 8% Schwarze leben (Quelle: San Francisco demographic profile), wäre es unrealistisch, auf einem Werbeplakat für Unterhosen zum Beispiel nur weiße Models zu zeigen. In Abbildung 5 seht ihr zum Beispiel, dass auf der Titelseite eines ins Haus geflatterten Coupon-Heftes so ziemlich alle maßgeblichen Bevölkerungsgruppen vertreten sind: Das turtelnde Pärchen links ist schwarz, der Herr mit der schäumenden Zahnbürste weiß, der Opa mit dem Fahrrad weiß und alt, die Mama in weiß und in der Mitte offensichtlich berufstätig (wegen der weißen Kleidung offensichtlich Ärztin), die Dame mit dem Baby mitte rechts Asiatin, und die strahlende Familie unten links sind Latinos. Und auch der Sportartikelkatalog in Abbildung 6 spiegelt alle maßgeblichen Bevölkerungsgruppen wider.

Abbildung [6]: Politisch korrekter Katalog

Wenn man in einer Firma anfängt zu arbeiten, füllt man einen Zettel aus, auf dem man seine "Ethnicity" einträgt. Das dient nicht etwa der Diskriminierung, sondern -- im Gegenteil -- dazu, dass die Firmen Statistiken darüber haben, wie "diverse" (also gemischt) ihr Mitarbeiterstamm ist. Firmen, die zu wenig Minderheiten einstellen, oder in der Führungsriege zum Beispiel nur Weiße beschäftigen, werden schief angesehen. Auf dem Zettel mit der Ethnicity muss man als Weißer übrigens "Caucasian" (Kaukasisch) eintragen. Das wusste ich bei meinem ersten Job in Amerika noch nicht, aber die freundliche Dame in der Personalabteilung half mir damals diskret weiter.

Platte des Monats

Abbildung [7]: "Maximum Minimum" - Die Live-Platte von Kraftwerk

Über das Konzert der Gruppe Kraftwerk im Warfield- Theater in San Francisco letztes Jahr habe ich ja kurz berichtet (Rundbrief 05/2004). Vor kurzem kam die Doppel-CD "Maximum-Minimum" heraus, mit Mitschnitten an verschiedenen Stationen der Tour. Ich sage euch, als ich die zum ersten Mal gehört habe, das war in der Arbeit bei Yahoo! über Kopfhörer, da lief mir bei dem ersten Song "Mensch-Maschine" eine wohlige Gänsehaut über die Arme und meine Cubicle-Kollegen haben sich sicher gewundert, warum ich auf einmal so heftig zu schnaufen begonnen habe. Mann, das hat Erinnerungen an dieses fantastische Konzert geweckt. Unbedingt zu empfehlen!

Don't call it Frisco

Abbildung [8]: Der Waschsalon "Don't Call it Frisco"

Angelika: Der Mensch kürzt lange Begriffe bekanntlich gern ab oder verniedlicht sie. Das Wort "San Francisco" ist da ein besonders beliebtes Opfer: S.F., San Fran oder Frisco kommt einem immer wieder zu Ohren.

Bis dato galt es aber unter Einheimischen dieser Stadt als verpöhnt, San Francisco "Frisco" zu nennen. Sofort wurde man als Tourist entlarvt. Es hieß schlicht "the City" (die Stadt). Das wurde so ernst genommen, dass selbst ein Waschsalon mit dem Namen "Don't call it Frisco" (nenne es nicht Frisco) auf der Hayes-Street gibt.

Seit geraumer Zeit taucht der Begriff "Frisco" allerdings in Rapsongs auf und recht hippe T-Shirts mit dem Logo "Frisco" erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Ich spreche jetzt nicht von T-Shirts, die man in Billigläden in Chinatown oder der Touristenfänger Hochburg "Fisherman's Wharf" erwerben kann.

Abbildung [9]: Ein T-Shirt mit einem Frisco-Graffiti-Aufdruck

Ganz im Gegenteil, Läden, in denen sich die jungen Coolen -- Marke draufgängerischer Skateboardfahrer, lässiger Surfer oder Graffiti-Sprüher -- einkleiden, verkaufen sie. Der Begriff "Frisco" hat unzweifelhaft ein Comeback als Gegenbewegung zum Establishment. Deshalb würde ich den 30-Jährigen (und aufwärts) nicht gerade raten, mit diesen T-Shirts herumzulaufen. Selbst Michael, der ja bekanntlich den legeren kalifornischen Kurze-Hosen- und Turnschuh-Look mit weiten T-Shirts bevorzugt, traut sich da nicht heran.

Autos in Kalifornien

Abbildung [10]: Moderator Xibit in der Show "Pimp my Ride" vor einem aus zwei Hälften zusammengeschweißten Auto, dessen Windschutzscheibe mit Teer im Rahmen gehalten wird

Michael: In den USA gibt's ja keinen TÜV. Man kann wirklich mit der letzten verrosteten Schrottkarre durch die Gegend düsen. Solange nicht die Kotflügel auf dem Highway davonfliegen, ist das okay. Die Fernsehserie "Pimp my Ride" mit Moderator Xibit, die auch in Deutschland ein großer Erfolg ist, zeigt, wie man aus einer auseinanderfallenden Karre gutaussehende Flitzer macht.

In Amerika spielt der Zustand geparkter Autos eine wichtige Rolle beim Einschätzen eines Stadtviertels. Stehen dort nur verrostete Schrottmühlen, hält man sich dort nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht auf.

So kann es durchaus vorkommen, dass jemand, der gerade sein Haus verkauft, darum bittet, dass man seine Schrottkarre nicht gerade davor abstellt. Das mindert den Preis des Hauses. Unser geliebter PERLMAN hat schon Häuserpreise in den Boden geschraubt und Makler verzweifeln lassen.

Einmal im Jahr kommt in Kalifornien von der Kraftfahrzeugmeldebehörde DMV ein Wisch ins Haus geflattert, der dazu auffordert, die jährlich fällige Registrierungsgebühr zu zahlen und einen Nachweis über die Haftpflicht-Versicherung des Fahrzeugs beizubringen. Abbildung 11 zeigt unseren Bescheid.

Abbildung [11]: Die Aufforderung zum Smog-Test

Die Registrierungsgebühr richtet sich nach dem Fahrzeugtyp und beträgt bei unserem zwar extrem sportlichen, aber materiell geringgeschätzten PERLMAN nur 65 Dollar. Das setzt sich zusammen aus $40 Registrierungsabgabe, $51 Kennzeichengebühr, $8 San-Francisco-Pauschale, minus $34 Arnold-Schwarzenegger-Rabatt (Rundbrief 03/2004).

Weil wir statt einer anonymen Nummer das personalisierte Kennzeichen PERLMAN haben, zahlen wir $25 extra. Das geht aber an einen guten Zweck wie die Konservierung des Grand Canyon oder so.

Abbildung [12]: Smogtest-Einladung

Und alle zwei Jahre liegt dem Wisch eine Überraschungsmeldung bei: Man muss zum Smog-Test, der amerikanischen Variante der ASU. Davon gibt es zwei Varianten, den normalen und den strengen. Beim normalen fährt man einfach zu irgendeiner Tankstelle mit "Smog-Test"-Zeichen und zahlt etwa $60. Steht aber auf dem Bescheid, dass man zu einer "Smog-Test-Only"-Station muss, ist die Auswahl geringer und supergenaue Prüfer nehmen sich des Smogtests an.

Abbildung [13]: Eine Tankstelle mit Smog-Check-Service

Zum "Smog-Test-Only" wird man nur eingeladen, falls man ein Fahrzeug fährt, das a) schon mal beim Smog-Check durchgefallen ist oder b) vom Typ her als nicht gerade umweltfreundlich bekannt ist. Und dann gibt's noch eine Lotterie, in der man c) die Arschkarte zieht und vom DMV zufällig ausgewählt wird. Detaillierte Erklärungen und Tips gibt's unter http://www.smogtips.com.

Neuere Autos werden übrigens am Computer angedockt und der Smog-Test- Computer zapft Werte davon ab. Ein Arbeitskollege musste übrigens einmal für über $1200 einen neuen Computer in seinen perfekt funktionierenden BMW M3 einbauen lassen, weil dessen Smog-Test- Schnittstelle kaputt war. Sonst wäre er nicht durch den Smog-Test gekommen, ein Wahnsinn! Zum Glück hat PERLMAN noch keinen Computer. Aber ein Zertifikat über die bestandende Smog-Prüfung hat er dennoch bekommen wie Abbildung 14 zeigt. Mit Bravour bestanden!

Abbildung [14]: Das Smog-Test Zertifikat

Kauft man in Kalifornien einen Gebrauchtwagen, muss man darauf kalifornische Verkaufssteuer entrichten, etwa 8.5%, je nach County. Kauft man ein Auto von einer Privatperson, kassiert der DMV den Steuerbetrag bei der Anmeldung des Fahrzeugs. Ist der angegebene Preis verdächtig niedrig, wird der Verkaufswert angesetzt.

Abbildung [15]: Ein kreativ hergerichteter Bus

Abbildung [16]: Die Mexiko-Variante

Abbildung [17]: Graffiti-Bemalung eines Möbelwagens

Den Wert eines Gebrauchtwagens legt das so genannte "Kelly Blue Book" fest, das man neuerdings auch Online einsehen kann, unter http://www.kbb.com. Dort steht doch tatsächlich, dass unser geliebter PERLMAN, ein Acura Integra Baujahr 1991 mit 170.000 Meilen auf der Uhr nur noch $1165 wert ist, Unverschämtheit! Er fährt aber seit Jahren ohne jegliche Wartung (nur Ölwechsel) tadellos und hat sich sehr über die vier neuen Reifen gefreut, die ich ihm vor kurzem für $320 spendiert habe. Wir bleiben zusammen, bis die Kotflügel abfallen, Perly!

Abbildung [18]: Ein restaurierter Krankenwagen: Aus "Ambulance" wird "Ambience" (Ambiente)

Abbildung [19]: "Goo Gone" zur Rettung

Oft kommt es vor, dass man etwas gekauft hat, an dem noch das Preisetikett klebt. Diese kleinen, miesen, billigen Aufkleber sind ja sowas von hartnäckig! Wehe, wenn man vom Etikett nur die Oberfläche abreißt, dann geht der klebende Rest beim besten Willen nicht mehr weg. Meist pfrümelt man stundenlang rum, behandelt den Rest mit übelriechenden Substanzen wie Benzin oder Terpentin, rubbelt sich den Daumen wund und löst dann womöglich noch Teile des gekauften Produkts mit auf. Besonders Plastik wird dann schnell stumpf. Aber das muss nicht sein, denn es gibt "Goo Gone", das löst alles kraftvoll und schonend ab.

"Goo" ist das amerikanische Wort für eine hartnäckig klebene Masse. Wenn man zum Beispiel eine Badewanne trotz regelmäßigen Gebrauchs nicht reinigt, setzt sich am Boden nach einer Weile so eine zähe Masse ab. Übersetzen kann man "Goo" vielleicht am besten mit dem bayerischen "Baaz". Und "Gone" heißt "verschwunden", so dass "Goo Gone" soviel wie "Baaz verschwunden" heißt. "Goo Gone" kommt in einer praktischen Sprühflasche, lässt sich leicht auftragen und riecht angenehm nach einer Mischung aus Mandarine und Marzipan.

Nehmt zum Beispiel das Vorhängeschloss in Abbildung 20. Da war hinten ein Aufkleber mit der Nummernkombination drauf, und der ging nicht ganz ab. Ein bisschen "Goo Gone" draufgesprüht, ein paar Minuten gewartet, und schon ging's wie von selbst. Zurück blieb nichts als ansprechend glänzendes Metall und ein Mandarinen-Nuss-Cocktail in der Luft. Hmmm.

Abbildung [20]: Ein Schloss mit halb abgerissenem Aufkleber ...

Abbildung [21]: ... und kurz darauf: Spiegelblank

Ich kenne jemanden, dessen Vater betreibt einige Kinos und der muss nach der Vorstellung immer den Boden und die Sitze von festgeklebten Kaugummis und verschüttetem Cola reinigen. Er behauptet, dass es einen professionellen Reiniger gibt, der Verklebungen sogar noch kraftvoller auflöst als "Goo Gone", aber dass "Goo Gone" schon ziemlich das Beste ist, was man als Normalsterblicher kaufen kann. Ein nettes Präsent von eurem nächsten Amerikaurlaub für eure Lieben daheim!

San Francisco Ansichten: Noe Valley

Abbildung [22]: Noe Valley: Taxi vor einem viktorianischen Haus auf der Guerrero-Street

Angelika: Ihr wisst es längst: Das Stadviertel, in dem wir wohnen, heißt Noe Valley und gehört mittlerweile zu einem der beliebtesten Wohnviertel in San Francisco. Und obwohl wir es immer einmal wieder in einem unserer Rundbriefe erwähnt haben und jeder etwas bessere Reiseführer es mittlerweile als sehenswert auflistet, wollen wir euch die ein oder andere Sache verraten, die hoffentlich noch nicht im "Lonely Planet" steht.

San Francisco ist bekannt für seine einzigartigen Stadtviertel. Noe Valley ist da keine Ausnahme. Die Beliebtheit des Viertels lässt sich auch an den Häuserpreisen ablesen. Laut unser Stadtteilzeitung "Noe Valley Voice" betrug der Durchschnittspreis für ein Einfamilienhaus im April 2005 schlappe $1.188.625. Für eine Zweizimmerwohnung (1-bedroom) zahlte man im Mai 2005 durchschnittlich $1.489 Miete, Dreizimmerwohnungen (2-bedrooms) beliefen sich auf $2.286.

Abbildung [23]: Noe Valley: Viktorianische Häuser in der Chattanooga-Street

Auf den ersten Blick fallen die vielen viktorianischen Holzhäuser auf, denn das große Erdbeben von 1906 verschonte Noe Valley: Das Viertel steht nämlich auf felsigem Untergrund und die Feuer nach dem Beben konnten gestoppt werden, bevor sie Noe Valley erreichten. Ein einsamer Feuerhydrant auf der Church St. und 20th St. lieferte das lebensrettende Wasser und wurde deshalb golden angestrichen. Auch mit viel Sonne sind wir gesegnet, denn der Nebel wird von den Twin-Peaks-Hügeln abgehalten. Noe Valley befindet sich geografisch in guter und interessanter Gesellschaft, liegt es doch zwischen der Mission, dem südamerikanischen Viertel, und dem Castro, der Hochburg der Schwulenbewegung.

Abbildung [24]: Noe Valley: Dolores-Straße

Abbildung [25]: Noe Valley: Eine sehr guter mexikanischer Schnellimbiß

Was wir am meisten an diesem Viertel neben den unzähligen Restaurants, den kleinen Geschäften und der guten öffentlichen Verkehrsanbindung schätzen, ist die heimelige, familiäre Atmosphäre mit internationalem Flair und fast ohne amerikanischen Einheitsbrei (einen "Starbucks" gibt es natürlich leider schon - seufz). Gehen wir z.B. in Michaels Lieblingsrestaurant "Savor" auf der 24th St., dessen Markenzeichen herzhafte und süße Crepes sind, begrüsst uns einer der Ober wie alte Bekannte.

Auch mit dem Besitzer des thailändischen Restaurants "Swatdee Thai" halten wir immer erst ein Schwätzchen über Gott und die Welt. Im "Hamano", eines unserer japanischen Lieblingsrestaurants, das auf der Castro St. liegt, gelang es mir doch tatsächlich einmal, einen Tisch für vier Personen in Windeseile zu ergattern, trotz der langen Schlange der Leute vor uns, was eine Wartezeit von mindestens einer Stunde bedeutet hätte. Der Inhaber erkannte seine treuen Kunden aus der Nachbarschaft und ließ uns den Vortritt. Leider hat er mittlerweile sein Restaurant verkauft, aber der Laden läuft unter neuem Management weiter.

Abbildung [26]: Noe Valley: Philosophen und Philosophaster vor Martha's Coffee Shop

Die Stimmung des Viertels fängt man am besten bei "Martha's" ein: Hier gibt es nicht nur guten Kaffee, sondern die Kunden lümmeln philosophierend auf Stühlen und Bänken vor dem Cafe in der Sonne herum. "Martha's" ist übrigens immer noch in Familienbesitz. Es gibt mittlerweile allerdings mehrere Filialen in San Francisco. Aber die aus Nicaragua stammende Martha eröffnete ihr erstes Kaffegeschäft 1987 auf der 24th St. in Noe Valley und Kaffeeliebhaber wie ich, die täglich ihre Ladung Koffein brauchen, treffen hin und wieder auch auf die leibhaftige Martha in ihrem Laden.

Ein für amerikanische Verhältnisse exotisches Geschäft versteckt sich hinter dem Käseladen "24th Street Cheese Company", in dem der Käsefreund ein Angebot an Käse ganz in der europäischen Tradition findet. Das Phänomen, dass es in vielen Gegenden Amerikas nur abgepackten "Cheddar"-Käse und vielleicht noch einen Camenbert gibt, faszinierte mich schon von jeher, denn an milchgebenden Kühen mangelt es hier ja nicht. Der Besitzer des Käseladens ist lustigerweise Asiate. Er ist immer furchtbar entnervt, wenn amerikanische Touristen aus käsefremden Gegenden in den von Reiseführern empfohlenen Laden kommen und dann ohne etwas zu kaufen wieder abziehen. Käse liegt aber eindeutig im Trend, zumindest in San Francisco und Umgebung. Nördlich von San Francisco gibt es mittlerweile mehrere kleine Käsereien (z.B. um die Gegend von Point Reyes). Die Preise für Käse sind allerdings immer noch zum Weinen.

Abbildung [27]: Noe Valley: Die irische Kneipe "Dubliner"

Apropos Kühe: in Noe Valley grasten sie einmal, denn das Land gehörte zur Farm "Rancho de San Miguel" und lag anno dazumal vor den Toren der Stadt. Der Besitzer hatte den wohlklingenden Namen Jose de Jesus Noe. Noe spricht sich übrigens No-ii. Kurzfristig hieß Noe Valley dann auch "Horner's Addition", denn 1852 kaufte John Horner dem Herrn Noe Teile der Farm ab und begann, fleißig Häuser zu bauen. Der Boom stellte sich allerdings erst ein, als 1887 das Cable Car von der Market/Castro St. zur steilen 26th St. fuhr. Heute fährt dort ein Bus, das Cable-Car fährt woanders.

Im späten 19. Jahrhundert kamen die Immigranten, hauptsächlich aus Irland, Deutschland und Italien. Das Viertel entwickelte sich zum traditionellen Arbeiterviertel. Viele Deutsche arbeiteten in Fleischereien, das wissen die Alteingessenen des Viertels heute noch zu berichteten. Die irischen Kneipe "The Dubliner" und der deutsche Laden "Lehr's" in Noe Valley zeugen von diesen Wurzeln.

"Tuggey's Hardware", also ein Laden, der alle möglichen Werkzeuge und Schrauben verkauft, existiert z.B. schon seit 1900. Und bei uns im Haus wohnen einige Leute schon seit über 30 Jahren. "Rent Control" macht es möglich (Rundbrief 08/2000). Der repulikanische Immobilienmakler auf der 24th St. beglückt das Viertel seit über 50 Jahren mit seinen konservativen Ansichten.

Abbildung [28]: Noe Valley: Geschäfte auf der 24. Straße

Als die Internetfirmen vor einigen Jahren boomten, strömten viele Dot-Commer nach Noe Valley, denn die konnten sich mit ihren hohen Gehältern und ihren Aktienoptionen plötzlich alles erlauben und trieben die Preise im Viertel noch mehr in die Höhe. Das geschah sehr zum Leidwesen der Bewohner, die schon seit Jahrzehnten in Noe Valley ansässig sind. Seit dem Platzen der Blase hat sich alles wieder ein wenig beruhigt.

Abbildung [29]: Proteste gegen "Real Foods" auf der 24th Street

Ansonsten weht ein liberaler Geist durchs Viertel und die Leute sind politisch und sozial engagiert. Als zum Beispiel unser ökologischer Supermarkt "Real Foods" von einer Firma in Utah übernommen wurde und im Herbst 2003 plötzlich alle Mitarbeiter rausschmiss, hagelte es Proteste. Offizielle Begründung: Renovierungsarbeiten im Geschäft stehen an. Vermuteter wirklicher Grund: Die Mitarbeiter wollten sich gewerkschaftlich zusammen schließen. Fast zwei Jahre später hat sich bezüglich Umbauarbeiten immer noch nichts getan, aber die sehr aktive Bürgergruppe "Friends of Noe Valley" stellte einen Wochenmarkt auf die Beine, der jeden Samstag von 8 bis 12 Uhr stattfindet, damit die Leute im Viertel auch weiterhin Biogemüse und -obst kaufen können.

Abbildung [30]: Noe Valley: Buchladen

Oder als dem unabhängigen Buchladen "Cover to Cover" im Sommer 2003 wegen Finanzschwierigkeiten die Schließung drohte, halfen ihm begeisterte Noe-Valley- Buchliebhaber wieder auf die Beine, indem ein kleinerer, mietgünstigerer Laden im Viertel gefunden wurde. Treue Kunden verpflichteten sich, jeden Monat für $25 im Laden einzukaufen. 40 Leute legten zusammen und stellten ein Darlehen in Höhe von insgesamt $200.000 zur Verfügung, um ausstehende Kredite abzuzahlen und den Laden wieder aufzustocken. Das hättet ihr nicht gedacht, dass es so etwas im kapitalistischen Amerika gibt.

Lustigerweise war es mehr oder weniger Zufall, dass wir uns damals in diesem Viertel niedergelassen haben. Wir kannten damals Noe Valley überhaupt nicht. Michael wollte aber in einem hügeligen Viertel leben, das ihn an die Serie "Die Straßen von San Francisco" erinnerte. Den "Straßen von San Francisco" sei gedankt.

Grüße aus "Noe":

Angelika und Michael

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Letzte Änderung: 26-Nov-2012