Ihr fragt euch jetzt sicherlich zurecht, warum wir immer noch hier sind. Keine Angst, ich komme gleich dazu, ich wollte es nur etwas spannend machen. Also, wir haben einfach unendliches Glück gehabt. Michael und sein Kollege Peter sind die einzigen, die auch weiterhin für die Firma Amerika arbeiten. Dies ist deshalb möglich, weil der amerikanische Firmensitz auch weiterhin besteht. Die Firma in Amerika hat jetzt eben nur noch zwei Mitarbeiter und nicht mehr 30. Die Finanzen sind bis Anfang 1998 gesichert, da in Deutschland aber einige Projekte laufen werden, sehr wahrscheinlich sogar länger. Ja, und wer jetzt ganz aufmerksam beim Lesen war, wird sich fragen, wo Michael nun arbeitet, wenn es doch gar kein Büro mehr gibt in San Francisco. Das Büro befindet sich jetzt sozusagen in unserer Wohnung, d.h. Michael arbeitet zu Hause. Man muss sich das ungefähr so vorstellen, dass in unserem Schlafzimmer ein riesiger Schreibtisch steht mit zwei Computern und zusätzlich noch einem Laptop. Ich hoffe sehr, dass wir uns in unserer kleinen Wohnung nicht ins Gehege kommen, aber solange wir noch hierbleiben können und ich nicht Michaels Sekretärin spielen muss, soll mir alles recht sein.
Michael wird jetzt in Ruhe die Situation abwarten. Alle hoffen natürlich darauf, dass die Firma den großen Durchbruch schafft. Sollte sich die Situation aber weiterhin verschlechtern, wird Michael versuchen, hier in San Francisco etwas Neues zu finden. Das ist allerdings nicht so einfach. Arbeit gibt es zwar genug, aber eine neue Firma müsste für Michael eine neue Arbeitsgenehmigung erwirken, was zwei Monate dauern kann und eine amerikanische Firma ist in der Regel gewohnt, dass der neue Mitarbeiter sofort anfangen kann, wegen der nicht vorhandenen Kündigungsfristen. Es nutzt dabei auch gar nichts, dass Michael hier schon gearbeitet hat. Der Fall würde wieder völlig neu behandelt werden. Es lebe die Bürokratie!!!!
Ich hoffe, dass ihr meinen etwas umständlichen Ausführungen folgen konntet und wem meine Erklärungen einfach zu lang waren, dem schreibe ich schnell noch Michaels Kurzfassung zum Stand der Dinge auf: "Es bleibt alles beim Alten, nur dass ich jetzt sogar von meinem Bett aus arbeiten darf!"
Trotzdem wir im nachhinein betrachtet mehr Glück als Verstand gehabt haben, war die Situation doch ziemlich belastend. Das Problem ist nämlich, dass man hier mit seiner Arbeit gleich alles verliert, d.h. z.B. die Krankenversicherung. Als Ausländer hätte Michael sowieso keine Arbeitslosenunterstützung bekommen, und diese ist auch für Amerikaner mehr als dürftig. Uns wäre wirklich nichts anderes übriggeblieben, als nach Deutschland zurückzukehren und das wollten wir auch nicht, weil wir uns gerade so richtig eingelebt haben. Ein sicheres Zeichen, dass wir zu echten Kaliforniern aufgestiegen sind, ist z.B. dass wir das letzte kleinere Erdbeben der Stärke 3.4 bereits verschlafen haben und nur davon erfuhren, weil meine Freundin Sylvia ganz aufgeregt anrief, ob wir etwas gemerkt hätten und es uns auch gutginge.