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  Rundbrief Nummer 34  
San Francisco, den 21.11.2001


Zur Lage der Nation

Und nun noch ein paar Worte von mir zur Lage der Nation: Mittlerweile hat hier der Senat die Anti-Terror-Gesetze ratifiziert (ich erwähnte es in meinem letzten Rundbrief kurz). Das Gesetzespaket hat denn wohlklingenden Namen "Uniting and Strenghtening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism", abgekürzt U.S.A. P.A.T.R.I.O.T., damit man gleich weiß, woher der Wind weht.

Das Gesetz schränkt viele Bürgerrechte massiv ein. Und obwohl Bürgerrechte in Amerika als Heiligtum gelten und "zuviel" Staat jedem Amerikaner zutiefst suspekt ist, hörte man kaum kritsche Stimmen, weder von Politikern noch von der breiten Bevölkerung. Im Kongress stimmten nur 66 Abgeordnete gegen das Gesetz -- bei 356 Ja-Stimmen. Im Senat gab es bei 98 Befürwortern nur eine Gegenstimme.

Das Abhören von Telefonen und das Herumschnüffeln in privater E-Mail ist von nun an kein Problem mehr und entzieht sich fast vollständig der Kontrolle von Gerichten. Für Hausdurchsuchungen muss kein Hausdurchsuchungsbefehl mehr vorliegen und die Durchsuchungen können sogar in Abwesenheit der Bewohner stattfinden. Bank- und Arztgeheimnis gibt es praktisch nicht mehr oder wie der Senator Feingold so treffend bemerkte: Sitzt man nur mit einem Terrorverdächtigen in einem Flugzeug, darf in den eigenen Arzt-, Bank- oder Geschäftsunterlagen herumgewühlt werden. Das CIA, der amerikanische Auslandsgeheimdienst, spioniert nun auch im Inland. Bei dem geringsten Verdacht, dass Ausländer in terroristische Aktivitäten verwickelt sein könnten, ist es erlaubt, diese für sieben Tage ohne jegliche Beweise festzuhalten. Diese neue Regelung schließt auch Besitzer der amerikanischen Green Card ein. Unter bestimmten Umständen können sich diese sieben Tage sogar auf sechs Monate verlängern. Die Bürgerrechtsvereinigung ACLU ("American Civil Liberties Union") hält es für besondes gefährlich, wie das neue Gesetz terroristische Vereinigungen auf eigenem Boden definiert. Die Definitionen sind so breit und allgemein gefasst, dass zynische Stimmen behaupten, auch Greenpeace falle in diese Kategorie. Einen einzigen Lichtblick enthält das Anti-Terror-Gesetz: Der große Lauschangriff auf Telefone und Computer gilt zunächst nur für vier Jahre.

Ein Land, das viel auf seine Demokratie hält, untergräbt diese empfindlich mit solchen Gesetzen. Auch der Vorschlag von Präsident Bush, die Terroristen vor ein Millitärgericht zu stellen, widerspricht den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates. Denn Militärgerichte können fernab der Öffentlichkeit stattfinden, der Schuldspruch muss von der Jury nicht einstimmig gefällt werden - eine Zwei-Drittel-Mehrheit reicht. Die freie Wahl des eigenen Anwalts sowie die Berufungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Unverständlich bleibt auch, dass sich die USA händeringend gegen einen internationalen Gerichtshof wehren. Denn hier bestände die Möglichkeit, Terroristen zukünftig zu verurteilen. Die Bush-Regierung begründet ihre Ablehnung damit, dass die Gefahr besteht, dass sich dann auch amerikanische Staatsbürger vor diesem Gericht verantworten müssten. Hmmm...

Neuerdings diskutiert man in Amerika auch wieder die Folter. Nach einer Umfrage des Senders CNN sollen 45% der Amerikaner das Anwenden von Folter als Druckmittel befürworten, um Informationen über Terrorismus zu erhalten. Da hört sich doch wirklich alles auf. Wir leben momentan schon in verrückten Zeiten. Fast jeden Tag hören wir eine neue Milzbrandgeschichte. Erst heute starb wieder eine 94-jährige Frau in Connecticut an Lungenmilzbrand. Das FBI tappt aber nach wie vor im Dunkeln. Deshalb veröffentlichte es Anfang November eine Charakterisierung ("Profile") des möglichen Täters. Bisher kannte ich so etwas nur aus Hollywood-Filmen: Der Täter ist höchstwahrscheinlich männlich. Er ist ein Einzelgänger, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Das Eingehen von Beziehungen fällt ihm schwer. Die Gegend von Trenton ist ihm vertraut (in den Postämtern von Trenton wurden einige der mit Milzbrand infizierten Briefe sortiert). Er hat eine naturwissenschaftliche Ausbildung oder großes Interesse an Naturwissenschaften. Er kennt sich im Labor aus. In der Tat sind ihm Teströhrchen lieber als Menschen. Vielleicht nimmt er Antibiotika ... ob das bei der Suche helfen wird? Man weiß es nicht.

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Letzte Änderung: 18-Apr-2017