Angelika/Mike Schilli |
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"Happy Holidays" und "Season's Greetings" sehen und hören wir zur Zeit an jeder Ecke. Weihnachten steht vor der Tür und eifrige Verkäufer wünschen schon jetzt mit diesen zwei Schlachtrufen "Frohe Feiertage".
Auch die ersten amerikanischen "Happy-Holidays"-Karten sind per Post angekommen. Nur selten dringt ein "Merry Christmas" ("Fröhliche Weihnachten") an unsere Ohren, denn schon seit einigen Jahren hat sich das neutrale "Happy Holidays" (= Frohe Feiertage) bzw. "Season's Greetings" (= Saisonale Grüße) immer mehr durchgesetzt, um Menschen nicht auf den Schlips zu treten, die das christliche Weihnachtsfest nicht zelebrieren.
"Happy Holidays" und "Season's Greetings" passt halt immer, egal ob unter dem Christbaum Weihnachten, unter der Menora Chanukka (auf Englisch auch Hanukkah, jüdisches Lichterfest) oder in afro-amerikanischen Haushalten Kwanzaa gefeiert wird. Falls ihr mit dem Begriff "Kwanzaa" jetzt nichts anfangen könnt: Das ist ein Fest, das Maulana Karenga als Alternative zum traditionellen Weihnachtsfest für die amerikanischen Schwarzen ins Leben rief, um die Möglichkeit zu haben, sich auf die eigenen afrikanischen Wurzeln zu besinnen.
Kwanzaa entstand während der Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren. Es dauert 7 Tage lang und findet Ende Dezember statt. Allerdings kennen wir persönlich niemanden, der Kwanzaa feiert. Aber bei der Post gibt es immer eine schöne Kwanzaa-Briefmarke zur Weihnachtszeit. Mir persönlich ist es ja ziemlich gleich, ob mir jemand "Merry Christmas", "Happy Hanukkah" oder "Happy Kwanzaa" entgegenschmettert, solange es von Herzen kommt. Geschäftsinhaber hegen aber die Angst, dass sie potenzielle Kunden abschrecken, wenn sie sich mit Festtagswünschen nicht auf neutralem Boden befinden.
Nun kommt hinzu, dass der englische Begriff "Christmas" gleich das Wort Christus beinhaltet, während das deutsche Wort Weihnachten, also die geweihte Nacht, etwas subtiler ist. "Christmas" setzt sich übrigens aus Christ's Mass (= Christmesse) zusammen. Die amerikanischen Gründungsväter legten schon in der Verfassung mit der sogenannten "Establishment Clause" fest, dass keine bestimmte Religion im Staate zu bevorzugen sei.
Nun hindert dies die religiöse Rechte, wie auch den schon öfter erwähnten republikanischen Immobilienhändler in unserem Viertel (Rundbrief 12/2002), nicht daran, lauthals zu protestieren, dass "Merry Christmas" aus dem Sprachschatz verschwindet und deshalb das christliche Abendland dem Untergang geweiht ist. Eine vielleicht doch etwas extreme Ansicht.
Auf der anderen Seite kann ich über einige sprachliche Auswüchse, die politisch korrekte Leute verwenden, auch nur lachen. Wenn der "Christmas Tree" (Weihnachtsbaum) plötzlich "Holiday Tree" heißt und die Weihnachtsfeier bei Yahoo! zur Jahresendfeier ("Year End Party") mutiert, fühlt man sich doch ein wenig an alte DDR-Zeiten erinnert. Da hieß der Engel schließlich auch Jahresendfigur.
Als ich noch im Tenderloin arbeitete, hatten wir übrigens einmal einen etwas durchgeknallten Leiter, der meinte, dass die zarten Kinderseelen Schaden litten, wenn wir die Engel nicht als Jahresendfigur ("year end figurine") betitelten. Das mutete ein wenig absurd an, denn die Kinder wuchsen in einem der schlechtesten Viertel von San Francisco auf. Sie hatten mit Armut, Drogen und Gewalt zu kämpfen und scherten sich nicht viel um politisch korrekte Formulierungen.
Also, wir wünschen euch von Herzen und allumfassend:
Frohe Weihnachten, was immer ihr auch feiert!
Angelika und Michael
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