Angelika/Mike Schilli |
Bermuda
Smogtest auf dem Internet
Lichtschutzfaktor Sonnencreme
Sudafed PE und Sudafed
Toppprodukt: Helm-Rückspiegel
Post vom Wasserwerk
Bezahlte Krankheitstage
Mexikanische Polka
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Michael Wir waren mal wieder im Urlaub. Nachdem wir Hawaii schon in- und auswendig kennen, flogen wir diesmal in die andere Richtung. Erst quer über den Kontinent nach New York und dann noch 2 Stunden weiter östlich. Dort liegt die englische Kolonie Bermuda, eine nur 3km breite und 35km lange Tropeninsel mit türkisem Wasser und langen, einsamen Sandstränden.
Bermuda liegt etwa 800 Meilen vor der Ostküste Amerikas im Atlantik. Auf der Landkarte in Abbildung 2 seht ihr, dass die drei Ecken des sogenannten Bermuda-Dreiecks auf die amerikanischen Stadt Miami in Florida, die Karibikinsel Puerto Rico, sowie die Insel Bermuda im Nordosten zeigen. Zahlreiche Legenden um verschollene Schiffe ranken um diesen Teil des Atlantiks.
Auf Bermuda leben nur etwa 65.000 Leute, aber viel Platz ist dort auch nicht. Laut Reiseführer wird die Besiedelungsdichte Bermudas nur von Ballungszentren wie Hongkong übertroffen. Touristen dürfen kein Auto mieten, sondern nur Motorroller oder sie weichen auf die relativ gut funktionierenden öffentlichen Verkehrsmittel aus. Nach dem Einkauf im Supermarkt die Kassiererin zu fragen, ob sie ein Taxi rufen könne, und dann mit fünf großen Papiertüten 20 Minuten auf dem Parkplatz zu warten, geht allerdings auf die Nerven und deswegen mieteten wir uns ein kleines Moped.
Das war ein Spaß! Angelika saß hintendrauf und ich bin ja bekanntlich in meinen Jugendjahren Motorrad gefahren, sodass es nach einigen haarigen Manövern im Linksverkehr eigentlich recht gut lief. Der Bermuder braust auch im Auto recht zügig durch die Gegend, aber das mag daran liegen, dass wir nach zehn Jahren Kalifornien etwas verlangsamt sind und auch schon eine gewisse Wurstigkeit im Straßenverkehr an den Tag legen. Die Busfahrer fahren jedenfalls wie die Henker, und wenn man auf dem Moped einen riesigen lachsfarbenen Bus im Genick hat, wird einem manchmal mulmig zumute!
Hätte jeder erwachsene Einwohner Bermudas ein Auto, käme der Verkehr ruckzuck zum Erliegen. Deswegen wird jedem Haushalt eine "Access Number" zugeteilt, und nur ein Auto per Access Number ist erlaubt. Ein Zweitauto gibt's nicht. Wollen der Ehepartner oder zuhause wohnende Jugendliche ein Gefährt, gibt's nur ein schwachbrüstiges Moped, das schwindelerregende $4.000 kostet! Die Zulassung für ein mittelgroßes Auto kostet übrigens im Jahr $1.200. Und im Auto muss immer ein Familienmitglied mitfahren. Wer beim Verleihen seines Autos erwischt wird, kriegt eine auf den Deckel. Das Moped darf man als Tourist ohne Führerschein fahren, Einheimische müssen eine Fahrerlaubnis beantragen, die sie ab sechzehn Jahren nach einer erfolgreichen Fahrprüfung erhalten.
Die jugendlichen Mopedbesitzer fahren allerdings wie die Geisteskranken. Dauernd auf der Überholspur, und es ereignen sich nicht wenige Unfälle. Die Vermieterin der Bude, in die wir uns eingenistet hatten, schaute jeden Tag, ob das Moped noch heil war und lobte unsere unfallfreie Fahrweise. Anscheinend kommen Touristen öfter mal mit Schürfwunden und zerbeultem Gefährt nach Hause.
Angelika Beim Betrachten von Ozeanen und bei langen Strandspaziergängen fange ich immer das Philosophieren an: Wie kommt das Salz ins Meer? Warum ist der Sand weiß? Auf Bermuda quälten mich gleich zwei Fragen: Warum ist das Meer so wunderschöen türkis und wieso wirbt die Tourismusbranche auf Bermuda mit den rosafarbenen Stränden? Denn beim ersten Hinschauen schimmert der Sand in den feinsten gelblich-weißen Tönen, keine Spur von rosa. Aber beim genaueren Betrachten kommt man dem Ganzen auf die Spur. Überall im Sand verstreut befinden sich kleine rosafarbene Muschelteilchen, die den Sand teilweise rosa erscheinen lassen. Sie kommen von einem im Meer lebenden Tierchen namens "Foraminifere", das eine rötliche Schale hat. Wenn dieser Organismus das Zeitliche segnet, zermalmen die Wellen die Schale in Kleinstteile und spülen diese an Bermudas Strände. Je nach Wetterlage wirkt der Sand mal mehr oder weniger rosa. Die wunderschöne Wasserfarbe entsteht, weil es kaum Phytoplanktons im Ozean von Bermuda gibt. Phytoplanktons sind kleine pflanzliche Organismen, die im Wasser herumschweben. Ohne diese können die Sonnenstrahlen ungehindert auf den Sandboden stoßen und reflektiert werden, was das Wasser türkis erscheinen lässt.
Und noch etwas fällt dem aufmerksamen Touristen auf: Alle Dächer der Häuser auf Bermuda erstrahlen blendend weiß und haben eine lustige Treppchenform. Das hat einen ganz pragmatischen Grund. Das Trinkwasser ist knapp auf der Insel, denn es gibt keine Flüsse und Seen und deshalb wird das Regenwasser mit Hilfe der besonderen Dachkonstruktion gesammelt. Die eingebauten Stufen im Dach sind ein ausgetüfteltes System von Regenrinnen.
Hinter dem weißen Anstrich steht eine spezielle Farbe, die dafür sorgt, dass das kostbare Regenwasser bei der Sammelaktion auf dem Dach nicht verdreckt. Sehr ausgefuchst! Nun werdet ihr euch fragen, wie oft es denn auf Bermuda regnet. Da es sich um suptropische und nicht tropische Inseln handelt, fällt der Regen ziemlich gleichmäßig über das Jahr verteilt. Und die Temperaturen sinken in den Wintermonaten (November bis April) ab und pendeln um die 20 Grad Celsius herum, in den Sommermonaten Juli bis September klettert das Thermometer dann auf 30 Grad. Den Einheimischen ist das Wasser im Mai mit 18 Grad noch zu kalt, aber wir sind täglich geschwommen.
Michael Nach Bermuda kommen hauptsächlich große Kreuzfahrtschiffe, die an den drei Hauptanlegestellen am Dockyard, in Hamilton und in St. George anlegen und dann jeweils Horden von 2.000 Leute für ein paar Stunden in die kleinen Städtchen ablassen. Weicht man diesen Ungetümen aus, ist man in der Frühsaison meist ganz allein.
In den Museen des Landes kann man alte Kanonen bestaunen und alle möglichen Schätze, die die um Bermuda gestrandeten Schiffswracks freigegeben haben. Um Bermuda zieht sich ein Korallenriffgürtel, auf dem schon unzählige Schiffe gestrandet sind. Zur Freude der Bewohner, die sich anschließend an die Bergung der Wracks machten.
Auffällig viele Leute auf Bermuda haben den Nachnamen "Tucker". Es gibt auch eine "Tucker's Town", allerdings ist diese nicht nach einem auf Bermuda berühmten Taucher namens Teddy Tucker benannt, so unser Taxifahrer, der übrigens auch "Tucker" hieß. Teddy Tucker, der Bermudische Nationalheld und Wracktaucher hat unzählige Schätze aus gesunkenen Schiffen geborgen, unter anderem ein goldenes Kreuz aus dem 16. Jahrhundert mit Edelsteinen dran. Das stand bis 1975 im Museum, doch jemand hat es gestohlen und durch eine Kopie aus Plastik ersetzt, sodass heute im Glaskasten ein Plastikkreuz steht, zum Totlachen!
Außerdem war Bermuda zur Zeit des Sklavenhandels direkt in das grausige Geschäft involviert. Das Museum am Dockyard zeigt eine detaillierte Ausstellung darüber, wie die Sklaven aus Afrika abgeholt und dann unter unmenschlichen Bedingungen auf Sklavenschiffen nach Europa und Amerika transportiert wurden. Bermuda war eine der ersten Anlaufstellen, bevor die Schiffe weiter nach Amerika fuhren. Viele Bermuder sind Nachkommen einstiger Sklaven. Interessant war, dass das Thema sehr ausführlich und schonungslos präsentiert wurde, während es in den USA normalerweise husch-husch vom Tisch gewischt wird.
Die Lage des Bermudadreiecks variiert mit der Literatur, aber normalerweise ist der Bereich in der oben gezeigten Landkarte gemeint. Die Insel Bermuda ist an der Spitze des Dreiecks. In diesem Bereich geschehen merkwürdige Dinge, so wird von einem Flug berichtet, der in den Bereich eintrat und für 15 Minuten jegliche Funkverbindung verlor. Als das Flugzeug später in Amerika landete, stellte man fest, dass der Kontrolltower vom Abbruch der Verbindung nichts mitbekommen hatte und die Uhren von Besatzung und Passagieren 15 Minuten vorgingen! Unter dem Eintrag "Bermuda-Dreieck" auf der Wikipedia könnt ihr noch weitere Dokumentationen seltsamer Vorgänge nachlesen. Die beiden Rundbriefreporter kamen allerdings ungeschoren davon.
Die vornehmen Restaurants auf Bermuda fordern von ihren Gästen die Einhaltung bestimmter Bekleidungsstandards. So darf man in einigen feinen Etablissements nur mit Krawatte und Jackett essen! Allerdings haben wir von unserer Vermieterin erfahren, dass einige Besitzer die Vorschriften lockern mussten, weil der stocksteife britische Kappes den hauptsächlich touristischen Gästen auf den Zeiger ging.
Und die in Bermuda für Herren üblichen Hotpants mit langen schwarzen Kniestrümpfen trägt natürlich auch niemand, der modetechnisch einigermaßen bewandert ist. Das Restaurant dessen Schild in Abbildung 15 "smart casual" verlangt, was nach unserer Auffassung so etwas wie Lederschuhe und Polo-Shirt war, kam ich in meinem typischen Aufzug mit Gangsterrapper-T-Shirt und Softwareentwickler-Cargo-Shorts aber problemlos rein.
Die Preise auf Bermuda sind echt abenteuerlich. Es ist keine Seltenheit, dass ein Hauptgericht in einer relativ normalen Wirtschaft $30 kostet. Dagegen ist selbst San Francisco preiswert! So recht vom Hocker gehauen hat uns das Essen nicht, obwohl einige im Reiseführer empfohlenen Restaurants schon recht gut waren. Außerdem schlägt der Kellner ungefragt 15% Trinkgeld auf die Rechnung, was bei Amerikaneren ausgesprochen umbeliebt ist.
Angelika Bermuda kommt recht britisch daher. Michael erwähnte ja schon den Linksverkehr und die Kleidervorschriften. Unsere Vermieterin warnte uns dann auch gleich, dass wir auf Bermuda nichts erreichen, wenn wir nicht die britische Höflichkeit an den Tag legen. Dem Busfahrer nur ein einfaches "Excuse me, is this the bus to the Dockyard?" (Entschuldigung, fährt dieser Bus zum Dockyard?) entgegen zu schleudern, würde als ungehobelt gelten. Nein, es muss zunächst heißen "Good afternoon. How do you do?", bevor man sein eigentliches Anliegen loswerden kann. Michael rebellierte natürlich etwas gegen diese steife Förmlichkeit, denn er hat schließlich 10 Jahre lockeres Kalifornien hinter sich.
Wie schafften es die Engländer überhaupt Bermuda zu entdecken? Der spanische Kapitän Juan de Bermudez, nach dem die Inseln benannt sind, schipperte schon 1503 um die Inseln herum, zeigte aber kein Interesse, die nicht bewohnten Inseln zu kolonisieren. 1609 setzte dann der englische Admiral George Somers, der im Auftrag der britischen "Virginia Company" herumsegelte, sein Schiff "Sea Venture" auf dem Weg nach Jamestown/Virginia auf eines der Riffe vor Bermuda. Er musste daraufhin mit seiner Mannschaft auf Bermuda ausharren, um neue Schiffe zu bauen und ließ gleich ein paar Mannen zurück, als er wieder in Richtung Nordamerika aufbrach. Der "Virgina Company" gefiel die Idee, das bis dato unbewohnte Bermuda zu vereinnahmen und schickte 1612 noch 60 Siedler hinterher.
Das britische Pfund hat sich allerdings nicht als Währung durchgesetzt. Es gibt den Bermuda Dollar, der 1:1 zum amerikanischen Dollar gehandelt wird. Der US-Dollar ist gleichwertiges Zahlungsmittel, denn überall konnten wir unsere grünen amerikanischen Scheine an den Mann bringen. Es ist üblich, dass einem sowohl Bermuda-Dollars als auch US-Dollars herausgegeben werden. Auch bei den Inselbewohnern wird das so gehandhabt. Nur der Geldautomat spuckt exklusiv Bermuda-Dollars aus.
Bermuda ist ein teures Pflaster, denn wie auf Inseln üblich muss nicht nur alles von weit her angeschleppt werden. Zusätzlich erhebt Bermuda noch hohe Zölle auf die importierten Waren. Die meisten Lebensmittel im Supermarkt kommen aus den USA. Aber auch britische Produkte fanden wir, die oft billiger erschienen, was am geringeren Zoll auf bestimmte Produkte aus England liegt. Die irische Butter war zum Beispiel unschlagbar günstig.
Wohnraum ist aufgrund des mangelnden Platzes auf Bermuda knapp und begehrt. Mieten, so stöhnten uns unsere diversen Taxifahrer vor, sind extrem hoch, die kommen locker an die von San Francisco heran. Und dann baut sich noch jeder reiche Schnösel tolle Ferienhäuser (oder besser gesagt Villen) auf Bermuda, die dann die meiste Zeit des Jahres leer stehen. Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones haben zum Beispiel ein Haus auf der Insel. Da für Firmen Bermuda ein Steuerparadies darstellt, haben viele ihre Scheinsitze hier. Trotz der hohen Lebenshaltungskosten ist der Lebensstandard aber hoch, wie einem jeder stolz erzählt.
Michael Wir haben die eine uns zur Erholung zustehende Woche optimal ausgenutzt und sind am Freitagabend um 22 Uhr losgeflogen, und am nächsten Morgen (mit vier Stunden Zeitverschiebung) waren wir auf der Insel. Zurück ging's eine gute Woche später, am Sonntag, und am Tag darauf standen wir wieder braungebrannt im Berufsleben. Ach ja, wir vermissen schon deutsche Urlaubsverhältnisse ...
Michael Im Rundbrief 07/2005 haben wir schon einmal darüber berichtet, dass es in Amerika keinen TÜV, aber eine zweijährliche Abgasuntersuchung gibt. Und nachdem heutzutage alles auf dem Internet verfügbar ist, haben sich die Verantwortlichen in Kalifornien gedacht: Hau'n wir mal alle Ergebnisse drauf, mitsamt Nummernschild und der Kraftfahrzeugnummer des jeweiligen Autos.
Auf dem Internet kann man nun die Abgasuntersuchungen kalifornischer Autos öffentlich bestaunen. Man kann sowohl nach Nummernschild als auch nach der KFZ-Nummer (VIN = Vehicle Identification Number) suchen. Sucht man nach dem Nummerschild, gibt die Website praktischerweise mit den Abgaswerten gleich die KFZ-Nummer mit an. Was zur Folge hat, dass man anschließend nach der KFZ-Nummer suchen kann, und alle Kennzeichen erhält, mit denen dieses Fahrzeug über die Jahre unterwegs war. Und Autodiebe nutzen den Service laut einem Bericht auf Snopes.com manchmal dazu, Ersatzschlüssel für irgendein Auto auf der Straße zu bestellen. Erforderlich ist hierzu oftmals nur die KFZ-Nummer. Gebt einfach "PERLMAN" ein und dann könnt ihr sehen, dass unser guter alter PERLMAN seit 1993 alle Smogtests mit Bravour bestanden hat!
Nachtrag: Wie aus in Abbildung 22 ersichtlich, sperrte der DMV die Ausgabe der VIN kurze Zeit nach dem Erscheinen des Beitrags.
Michael Wart ihr schon mal in Amerika, habt eine 20er-Sonnencreme gekauft, am Strand gelegen und einen Fetzen-Sonnenbrand kassiert? Ha! Das ist uns auch schon passiert. Offensichtlich war das keine "wirkliche" 20er.
Lustigerweise findet sich auf dem Internet zu diesem Thema nur spekulatives Gewäsch. Manche behaupten, der deutsche Lichtschutzfaktor (LSF) und der amerikanische Sun Protection Factor (SPF) würden nach dem gleichen Verfahren ermittelt. Andere berichten von drastischen Abweichungen, der amerikanische Wert sei zwischen 50% und 100% überhöht. Seriöse wissenschaftliche Berichte gibt's keine -- die Mediziner-Pappnasen der Welt veröffentlichen ihre Doktorarbeiten offensichtlich noch nicht im Internet. Hallo, aufwachen!
Allerdings sind wir auch nicht auf den Kopf gefallen. Gestützt durch langjährige Forschungsprojekte an den wichtigsten Stränden der Welt streifen wir heute unsere weißen Laborkittel über und behaupten dreist: Der auf amerikanischen Sonnencremepackungen angegebene "SPF" entspricht einem ca. 30% niedrigeren "Lichtschutzfaktor". Kauft man also eine 20er in Amerika, hat man letztendlich eine 12er nach deutschen Maßstäben. Damit würde ich mich an keinen kalifornischen Strand legen, da ist der Sonnenbrand vorprogrammiert.
Neulich gab's beim Costco zwei Tuben der Neutrogena-Sonnencreme (Abbildung 23) mit dem SPF 55 (also etwa eine 35er nach deutschen Maßstäben) für $13.99. Ein Schlagerpreis! Neutrogena stellt eine der besten Sonnencremes der Welt her. Überhaupt nicht gipsartig, wie sonst bei Sonnencremes im höheren Lichtschutzbereich üblich. Seidig auf der Haut und fettet überhaupt nicht! Ich musste gleich einen Hamsterkauf tätigen.
Angelika Michael hat im Rundbrief 11/2006 das Rachenpflaster Sudafed PE ja als Schrottprodukt bewertet. Wir dachten damals, die schlechte Qualität läge an der Verabreichung als Streifen statt der bewährten Pillenform. Neulich erwähnte ein Kollege von Michael aber, dass er es langsam leid wäre, immer seinen Ausweis vorzeigen zu müssen, wenn er das Original "Sudafed" kauft, um seine chronischen Nebenhöhlenprobleme zu bekämpfen. Hmm, das machte uns stutzig und ich ging zur Drogeriekette "Walgreens", um der Sache auf den Grund zu gehen.
Zunächst müsst ihr wissen, dass weder Sudafed noch Sudafed PE in Amerika verschreibungspflichtig sind. Nicht rezeptpflichtige Medikamente stehen in Amerika in Drogerien und Supermärkten in der Regel wie die Zahnpasta einfach im Regal. Der Kunde schnappt sich das Medikament und geht zum Bezahlen an eine beliebige Kasse in dem jeweiligen Geschäft. Für verschreibungspflichtige Medikamente muss man hingegen das Rezept vom Doktor an einem Tresen abgeben und das Medikament wird wie in deutschen Apotheken von Angestellten aus Regalen hinter dem Tresen geholt.
Aber nun zurück zu meiner Walgreens-Recherche. Ich suchte also brav die Gänge mit den Medikamenten nach Sudafed ab und fand auch ziemlich schnell Sudafed PE in Schachtelform. Beim Original-Sudafed steckte allerdings nur ein Kärtchen im Regal, auf dem stand, dass man mit diesem zum "Apothekertresen" gehen solle. Ich gab das Kärtchen daraufhin bei der freundlichen Dame hinter dem Tresen ab, woraufhin diese mich nach einem Ausweis ("ID") fragte. Also kramte ich meinen kalifornischen Führerschein hervor, der von ihr mit dem Magnetstreifen durch die Kasse gezogen wurde. Dann tippte sie noch wild etwas in den Computer ein, ich musste eine Unterschrift leisten und endlich durfte ich das Sudafed bezahlen und mitnehmen.
Nun werdet ihr euch fragen, was der ganze Blödsinn soll. Der Wirkstoff ist des Rätsels Lösung. Das Original Sudafed enthält nämlich "Pseudoephedrin", aus dem relativ einfach die Droge Methamphetamin (Meth oder auch Crystal genannt) hergestellt werden kann, während Sudafed PE den Wirkstoff Phenylephrin beinhaltet, bei dem das nicht funktioniert.
Um zu verhindern, dass Methabhängige Sudafed in großen Mengen kaufen, um im Hinterstübchen ihre Droge zusammenzubrauen, ist der Kauf von Produkten mit Pseudoephedrin oder auch Ephedrin seit neuestem reglementiert in den USA. Das Gesetz "The Combat Methamphetamine Epidemic Act" machte es auf nationaler Ebene möglich, nachdem einige Bundesstaaten schon länger ähnliche Bestimmungen praktizierten. Seit September 2006 darf jeder Kunde wöchentlich nur 3.6 Gramm Pseudoephedrin oder Ephedrin kaufen bzw. 9 Gramm im Monat. Deshalb der Firlefanz mit dem Vorzeigen meines Ausweises und der Registrierung, wieviel Sudafed ich wann gekauft habe.
Die Droge "Meth" hat sich epidemieartig in den USA ausgebreitet. Sie wirkt stark aufputschend und sorgt dafür, das große Mengen des Neurotransmitters "Dopamin" ausgeschüttet werden, was zu euphorischen Glückszuständen führt. Das Problem an der Sache ist, dass die Leute abhängig von dem Zeug werden und ohne die Droge dann keine Glücksgefühle mehr erleben können, weil die Dopamin-Rezeptoren im Gehirn geschädigt werden. Schlaganfälle, Nervenschäden, Psychosen, faulende Zähne sind bei längerem Mißbrauch ebenfalls keine Seltenheit. Zur Abschreckung zeigt das Fernsehen hier öfter einmal Fotos von Methabhängigen. Wenn euch nichts so leicht umhaut, schaut euch mal die die Wikipedia-Seite zum Thema "Meth Mouth" an. Mahlzeit!
Michael Durch San Francisco mit dem Fahrrad zu fahren, erfordert höchste Aufmerksamkeit. Laut meiner persönlichen Statistik fehlen 70% der autofahrenden Bevölkerung die technischen Fähigkeiten zum Autofahren. Das sind Leute, die beim Abbiegen den Randstein mitnehmen, ihr Auto nicht in der Spur halten können und bei Rot über die Kreuzung fahren, da sie das Umschalten der Ampel nicht zeitrichtig einschätzen können. Ist so jemand dann auch noch am Handy, ist doppelt Vorsicht geboten.
Solchen Leuten muss man als Fahrradfahrer Entscheidungen abnehmen, damit kein Unfall passiert. Fahren Sie hinter einem her und wollen überholen, ist aber offensichtlich kein Platz, um das Manöver gefahrlos zu vollenden, fährt man als Fahrradfahrer einfach in der Mitte der Spur, bis die Lage bereinigt ist. Sich aber dauernd umzudrehen, um zu sehen, was vorgeht, ist uncool und sogar gefährlich, sodass ich mir vor einigen Monaten einen Helmspiegel gekauft habe.
Damit sieht man zwar aus wie ein "Borg" vom Raumschiff Enterprise, aber der Spiegel hilft so gut beim Einschätzen der Straßenlage, dass ich gar nicht weiß, wie ich ohne ihn noch zurechtkäme!
Es gibt viele verschiedene Helmspiegel, aber ich habe mir das Modell "Take A Look" von der Firma "Bike Peddler" aus Colorado gekauft. Er ist denkbar simpel aufgebaut, macht einen äußerst stabilen Eindruck und lässt sich leicht justieren. Kostenpunkt $15. Toppprodukt!
Angelika Der kalifornische Winter des Jahres 2006/2007 brachte uns zu wenig Regen, sodass die Wasserreservoire nicht ausreichend gefüllt wurden. Im Sommer kann das, vor allen Dingen in Südkalifornien, zu Wasserknappheit führen. Deshalb flatterte uns neulich eine Broschüre vom Wasserwerk ins Haus, die Tipps zum Wassersparen enthielt.
Ihr wisst schon, Sparduschköpfe einbauen, die Spülmaschine immer nur anstellen, wenn sie voll beladen ist, beim Zähneputzen nicht den Wasserhahn laufen lassen. Nun sind regenarme Winter schon öfter in Kalifornien vorgekommen. Spannend fand ich allerdings beim Lesen der Broschüre, dass auf den globalen Klimawandel hingewiesen wurde, der uns laut Wissenschaftlern in Zukunft trockenere Winter bringen wird. Ha, habe ich es nicht im letzten Rundbrief schon verkündet, dass das Thema der globalen Erderwärmung salonfähig geworden ist in den USA? Selbst Bush konnte nicht umhin, zähneknirschend beim G-8 Gipfel in Heiligendamm die Klimaerwärmung als Tatsache anzuerkennen, obwohl er sie bis vor kurzem noch bestritten hat. Nun macht ihn das noch nicht gleich zum Greenpeace-Aktivisten, aber aller Anfang ist schwer.
Angelika Im letzten Rundbrief 04/2007 habe ich berichtet, dass San Francisco als erste Stadt Amerikas seine Plastiktüten verbannt hat. Aber San Francisco hat nicht nur beim Thema Umweltschutz die Nase vorn, sondern auch wenn es um soziale Errungenschaften geht. Seit Februar diesen Jahres müssen jedem, der in San Francisco arbeitet, Krankheitstage bezahlt werden. San Francisco ist damit wiederum die erste Stadt Amerikas, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf lokaler Ebene gesetzlich vorschreibt. Es gibt in Amerika nämlich diesbezüglich keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen auf nationaler Ebene. Schätzungen zufolge bekommen fast die Hälfte der Ganztagsbeschäftigten in den USA (laut Presse etwa 57 Millionen) kein Gehalt, wenn sie sich krank melden. Am häufigsten betroffen sind vor allen Dingen Leute, die in Lohnniedrigjobs arbeiten, obwohl diese sich Lohnausfälle natürlich am wenigsten leisten können.
Bessere Firmen gewähren in der Regel bezahlte Krankheitstage, wobei es dabei je nach Firma ganz unterschiedliche Modelle gibt. Manche Arbeitgeber gewähren zum Beispiel 1 bis 2 Tage pro Monat, die bis zu einer bestimmten Höchstgrenze angespart werden können. Yahoo erlaubt seinen Mitarbeitern kurzfristige Abwesenheit (maximal 5 Tage hintereinander) aufgrund von eigener Krankheit oder Krankheit eines Familenmitgliedes (z.B. Kinder) bis zu 5 mal in 12 Monaten. Ist man bei Yahoo länger krank, springt die sogenannte "Short-Term Disability Insurance" (etwa: kurzfristige Berufsunfähigkeitsversicherung) ein, die von Yahoo für die Mitarbeiter bezahlt wird. Andere Firmen unterscheiden nicht zwischen Urlaub, Krankheit oder Abwesenheit aufgrund von Arztbesuchen. Der Arbeitnehmer erhält ein sogenanntes "Paid Time Off"-Konto (Paid Time Off = bezahlte Abwesenheit), und er entscheidet selbst, für was er die angesparten Stunden hernimmt (Urlaub oder Krankheit).
San Franciscos Modell funktioniert wie folgt: Jeder, der in San Francisco (unabhängig davon, wo die Firma sitzt) arbeitet, erhält pro 30 Arbeitsstunden eine bezahlte Stunde im Krankheitsfall. Die so angesparte Zeit kann für eigene Krankheiten, notwendige Arztbesuche oder Pflege von kranken Angehörigen bzw. des Lebenspartners genutzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer ganz- oder halbtags bzw. zeitlich befristet angestellt ist. Für Arbeiter ohne Arbeitsgenehmigung und Papiere ("Undocumented Workers") gelten die gleichen Regeln. Arbeitet man für eine kleine Firma (bis zu 10 Vollzeit- oder Teilzeitangestellte), können bis zu 40 Stunden angespart werden, sonst 72 Stunden. Die Stunden verfallen nicht am Ende des Jahres, aber wenn die Höchstgrenze erreicht ist (40 bzw. 72 Stunden) akkumuliert nichts mehr auf, bis ein Krankheitsfall eintritt und die Stunden abgebaut werden. Danach kann das Konto wieder bis zur Grenze anwachsen. Hört sich kompliziert an, ist aber ehrlich gesagt gut durchdacht. Ein Hurra für San Francisco.
Michael Geht man durchs mexikanische Viertel "Mission" gleich bei uns um die Ecke, hört man oft aus fahrenden Autos oder offenstehenden Wohnungsfenstern eine Humpa-Dumpa-Musik, die der deutschen Volksmusik nicht unähnlich ist. Schaut man näher hin, sind das ganz normale Leute, die sich an dieser offensichtlich total bekloppten Musik erfreuen. Sachen gibt's! Ich dachte, das gäb's nur in Deutschland im Musikantenstadel.
Neulich waren wir in einem spanischen Restaurant im Mission-Distrikt und gerade als wir bestellen wollten, kamen drei Mexikaner in Nationaltracht herein. Einer hatte eine Gitarre dabei, einer ein Akkordeon und der dritte einen Kontrabass (vgl. "Drei Chinesen mit dem Kontrabass"). Nachdem sie kurz beim Wirt um Erlaubnis gefragt hatten und dieser zustimmte, fingen die drei lautstark mit ihrem Humpa-Dumpa-Getöse an. Ich schaltete mein digitales Diktiergerät ein, um die Szene zu dokumentieren, als die Bedienung kam, um unsere Bestellung aufzunehmen. Und so kommt ihr heute in den Genuss einer Rarität: Eine Bestellung in einem spanischen Restaurant mit Polkabeschallung als MP3.
Amerikaner nennen die mexikanischen Musiker meist "Mariachis", nicht wissend, dass es sich bei den Musikern in der San Francisco Mission meist um sogenannte "Jarochos" handelt. Während Mariachis runde Sombreros tragen und mit Trompeten und Violinen spielen, tragen die Jarochos Cowboyhüte und spielen meist nur Bass, Gitarre und Akkordeon. Wenn ihr also in Zukunft Liedtexte wie "See the vegetable man / In the vegetable van / With a horn that's honking / Like a mariachi band" von dem bekannten Rockmusiker Beck hört, wisst ihr Bescheid.
Apropos Beck: Der hat nicht nur vor kurzem bei Yahoo vor der Cafeteria gespielt, sondern vor einigen Jahren in einer billigen aber guten Taqueria bei uns um die Ecke. Leider haben wir den Überraschungsevent nicht mitbekommen und angeblich erkannten die meisten Gäste Beck gar nicht, denn die standen auf Humpa-Dumpa-Musik und waren damit beschäftigt, die legendär guten Burritos des Ladens zu verputzen!
Immer mit den Stars auf Tuchfühlung:
Angelika und Michael
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