Angelika/Mike Schilli |
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Die Wellen kommen zum Teil sehr gewaltig daher und brechen oft unvermittelt zusammen, so dass man sehr aufpassen und notfalls schnell unterhalb durchtauchen muss. Tut man das nicht, stürzen die Wassermassen auf einen herab und in den nächsten fünf Sekunden wirbelt man ohne jede Kontrollmöglichkeit unter Wasser umher. Das ist nichts für schreckhafte Naturen. Schwimmen ist in diesen Augenblicken unmöglich, die Strömung ist total chaotisch und wild. Dann hilft nur, die Luft anzuhalten, die Arme über dem Kopf zu verschränken, damit man nicht aus Versehen gegen einen Stein oder ein verlorengegangenes Surfboard knallt. Nachdem sich alles wieder gelegt hat, stellt man schnell fest, wo oben und wo unten ist, und taucht auf. Und nicht die nächste ankommende Welle vergessen!
Natürlich raufen sich die aufmerksamen Rundbriefleser bereits die Haare und fragen: "Wie sind diese Fotos entstanden? Haben diese Wahnsinnigen die teure Kamera mit ins Wasser genommen?" Nein, die Spiegelreflex blieb diesmal am Strand, wir haben uns einfach eine wasserdichte Wegwerfkamera für 15 Dollar gekauft -- echt genial, das Teil! Sieht nach nichts aus, macht aber recht ordentliche Bilder, enthält den Film bereits und man gibt das ganze Plastikding zurück zum Entwickeln.
Außerdem kann man auf Big Island für wenig Geld Taucherbrillen und Schwimmflossen ausleihen und im Wasser herumschnorcheln. Es gibt jede Menge farbenprächtiger tropischer Fische, die auch noch richtig groß sind, 50cm sind keine Seltenheit. Als besondere Attraktion gibt es dort unten diese Riesenschildkröten, die werden bis zu einem Meter lang (Abbildung 5). Mit Tauchermaske und -flossen kann man ganz nah an sie heranschwimmen. Sie scheren sich überhaupt nicht um die Touristen, sondern putzen weiterhin in aller Ruhe die Algen zwischen den Steinen weg. Sie werden ziemlich von den Wellen herumgewirbelt, denn sie schwimmen nur sehr langsam, aber das scheint ihnen nichts auszumachen.
Aber der eigentliche Knüller auf Big Island sind die aktiven Vulkane. Die Insel wurde schon ein paarmal von bösen, blubbernden Lavamassen überrollt. Es gibt Straßen, die die glühende Lava auf dem Weg ins Meer einfach begraben hat und die daraufhin nicht mehr restauriert wurden. Ehemals bewohnte, dann evakuierte Dörfer sind heute Geistersiedlungen. Die Lava, flüssiges Gestein, fließt bei einem Ausbruch sehr langsam, so dass sich die Leute üblicherweise in Sicherheit bringen können, bevor ihre Häuser und Siedlungen unter den Massen begraben werden, die dann langsam zu schwarzem Stein erstarren.
In bestimmten Regionen kann man auf Big Island sehr preisgünstig Land erwerben, teilweise zahlt man nur ein paar tausend Dollar für einen Hektar, der sehr nah an den bedrohten Gebieten liegt. Keiner weiß, wann der nächste Lavaschub kommt und dann heißt es: Das wäre ihr Preis gewesen! Einmal sind wir in der Nacht mit dem Auto im Südosten der Insel herumgefahren, wo die Lava zuletzt gewütet hat. Da haben wir die letzten Hippies der USA gesehen. Gerüchtehalber verbirgt hier auch das FBI Leute, die unter das Witness-Protection-Programm fallen, also "Kronzeugen", die sich wegen ihrer Aussagen vor Gericht nicht mehr unter die Leute trauen.
(Angelika) Dieses Mal zeigt sich Michael doch tatsächlich von seiner großzügigen Seite und lässt mich unsere spektakuläre Wanderung zur noch fließenden Lava schildern -- eine der abenteuerlichsten und eindruckvollsten, die wir bis jetzt erlebten. Michael erwähnte ja schon, dass Big Island praktisch nur aus Vulkanen besteht, die die dortige Lebensart verinnerlicht haben und alles etwas ruhiger und gelassener angehen lassen: Die Lava fließt extrem langsam. Deswegen verhärtet sie sich meist gleich wieder, während sie sich ihren Weg bahnt. Ich muss zugeben, dass ich geologisch nicht sehr bewandert bin (die Geologen unter euch verzeihen mir bitte, wenn ich die Begriffe "Lava", "Magma" und dergleichen nicht ganz akkurat anwende) und bis dato geglaubt habe, dass Vulkanausbrüche immer heftig, sprudelnd und blubbernd sowie mit riesigen Feuerfontänen einhergehen und alles schreit: "Rette sich, wer kann!"
Auf Hawaii ist das eher umgekehrt: Ein Vulkan bricht aus und alles macht sich auf, um das gewaltige Naturschauspiel mitzuerleben. Auch war ich völlig sprachlos, als ich im Reiseführer erfuhr, dass die jetzt noch fließende Lava von dem Ausbruch des Vulkans "Kilauea" im Jahre 1983 stammt. Ein 17 Jahre lang fließender Lavastrom ist allerdings auch für Hawaii ein absoluter Rekord. Die Lava fließt aber nicht immer an der Oberfläche, sondern bahnt sich häufig nur unterirdisch den Weg zum Meer. Aber wir hatten Glück: Als wir den Nationalpark besuchten, floss sie oben.
Wer schon einmal in amerikanischen Nationalparks war, kennt das Phänomen, dass diese meist so konzipiert sind, dass man viele der Attraktionen mit dem Auto bequem erreichen kann und in der Regel nur einige Meterchen laufen muss. Michael und mir ist das schon immer aufgestoßen und so wandern wir immer ausgedehnt, um den Massen zu entkommen. Auch den "Hawaii Volcanoes National Park" kann man nur als "Drive-Thru-Experience" (Durchfahrtserfahrung) mitnehmen. Das wollten wir natürlich nicht, und wir beschlossen, zur fließenden Lava zu wandern.
Da kommt man nämlich nur hin, wenn man bereit ist, 5 bis 6 Stunden (Rundweg) auf einem nicht gekennzeichneten Weg über erhärtete Lava parallel zum Ozean zu laufen. Uns schreckte zunächst auch nicht ab, dass der Wanderweg als äußerst gefährlich gilt und die Parkranger (etwas Ähnliches wie Förster im Wald) die Wanderung zwar nicht direkt verbieten, aber dringend davon abraten. Aber wir sind ja mittlerweile an den amerikanischen Wahn gewöhnt, dass jeder Angst hat, verklagt zu werden. Dies führt zu Übervorsichtigkeit und teilweise absurd wirkenden Sicherheitsmaßnahmen. Ich erinnere nur noch einmal daran, dass in der Beschreibung unserer amerikanischen Mikrowelle tatsächlich steht, dass das Gerät nicht dafür geeignet ist, seine Katze zu trocknen.
Etwas stutzig machte uns allerdings, dass unser Lieblingsreiseführer "Lonely Planet", der sonst den amerikanischen Sicherheitswahn nicht mitmacht, immer wieder betonte, dass man die Wanderung nur wagen sollte, wenn man topfit und gut vorbereitet ist. Und ein wenig ins Grübeln kamen wir, als uns eine Rangerin -- übrigens eine deutsche Landschaftsarchitektur-Studentin im Praktikum -- offenbarte, dass tags zuvor ein Mann auf der Wanderung an Herzversagen gestorben war und sie selbst nach der Wanderung wegen Erschöpfung und eines Glaspartikels, der ihr aus der Rauchwolke ins Auge geflogen war (obwohl sie eine Sonnenbrille trug), im Krankenhaus behandelt werden musste. Und diese besagte Deutsche war mindestens 10 Jahre jünger als wir und machte nicht gerade einen gebrechlichen Eindruck.
Nun muss man einschränkend bemerken, dass der Wanderer, der von der Wanderung nicht lebend zurückkehrte, nachts alleine losgegangen war, was man dann vielleicht doch nicht tun sollte. Allerdings gehen viele nach Anbruch der Dunkelheit los, um die Lava zu sehen, die nachts natürlich besonders prächtig glüht. Da Michael und ich aber schon Schwierigkeiten haben, nachts auf der hellbeleuchteten Autobahn die Spur zu halten (wir sind beide etwas nachtblind), nahmen wir doch lieber Abstand von dieser Idee. Fünf bis sechs Stunden über schwarze Lava, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet zu stolpern, hielten wir dann doch nicht für so traumhaft -- Abenteuer hin oder her.
Naja, wir beschlossen, dann den Empfehlungen der Ranger nach Buchstabe F zu folgen und außerdem ganz früh am Morgen aufzubrechen, um nicht in der Mittagshitze zu laufen. Ein weiser Entschluss, wie sich später herausstellte, denn schwarze Lava heizt sich gut auf und natürlich gibt es auch keinen Schatten wegen der nicht vorhandenen Pflanzen oder Bäume, ganz zu schweigen von der Hitze, die die glühende Lava ausströmt. Also bewaffneten wir uns mit 3 Litern Wasser pro Person (und kamen tatsächlich insgesamt mit weniger als einem halben Liter zurück), Energieriegeln, einem Energiegetränk, Sonnenbrillen, um keine Glaspartikel ins Auge zu kriegen, Tüchern als Mundschutz, um uns gegen die Dämpfe in der Nähe des Lavastroms zu schützen, Regenjacken (das Einzige, was wir nicht brauchten), einem Erste-Hilfe-Kit und natürlich unseren guten Wanderschuhen, die uns sowieso auf jeder Wanderung begleiten (meine musste ich nach dieser allerdings beerdigen, da sie schon etwas in die Jahre gekommen waren und die Hitze der Lava ihnen den Rest gab).
Ich zog sogar die empfohlene lange Hose an, ein echtes Zugeständnis in Hawaii, da man leicht auf der gehärteten Lava fallen kann (wie gesagt es gibt keinen ausgeschilderten Weg) und diese höllenscharf ist. Michael war allerdings nicht dazu zu bewegen, sich von seinen geliebten kurzen Hosen zu trennen. Ratet, wer mit einem Pflaster zurückkam? Richtig: Ich, allerdings nicht am Knie, sondern am Ellbogen, da ich mich etwas unsanft an der harten Lava ratschte, als ich einen Film wechselte.
Um fünf Uhr früh, kurz bevor die Sonne aufging, krabbelten wir also aus unseren Betten und fuhren zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Auf der halbstündigen Fahrt dorthin wurden wir dann zunächst schon einmal mit einem gigantischen Sonnenaufgang belohnt. Außerdem sichteten wir die sogenannten "Nene", eine Art Huhn, das man in vulkanischer Landschaft findet -- etwas ganz besonderes, da es sehr hart für jegliches Getier in dieser Landschaft ist, zu überleben und die "Nene" darüber hinaus auch noch vom Aussterben bedroht sind. Beinahe hätte es noch weniger von ihnen gegeben, da Michael wild auf die Tube drückte und nicht auf meine Warnungen hörte, dass die "Nene" die Tendenz haben, auf Autos zuzurennen, was ich im Reiseführer gelesen hatte. Ein wüstes Ausweichmanöver später glaubte er mir schließlich.
Der Startpunkt der Wanderung ist übrigens genau dort, wo die Lava einige Jährchen zuvor die Straße begraben hat. Man parkt einfach auf dem Seitenstreifen und geht los. Schon der Anfang faszinierte total, denn früh morgens ist das Licht ja besonders reizvoll und so kam es zu wunderschönen Lichtspielen. Mal schimmerte die harte, schwarze Lava ganz golden, ein anderes Mal tief schwarz oder in hunderten von Grautönen. Je länger es zurückliegt, dass die Lava geflossen ist, desto grauer sieht sie aus. Relativ frisch erhärtete Lava ist pechschwarz und glänzend. Wir entdeckten immer wieder die bizarrsten Formen. Man muss sich das so vorstellen: Schwarze Lava so weit das Auge reicht, rechts der Ozean, der mit der Sonne um die Wette glitzert, links Berge bzw. Vulkane, kein Mensch in Sicht, sondern nur wir zwei in endloser Weite.
Am Anfang des Weges gibt es übrigens immer wieder Warnhinweise, dass man nicht zu nah an den Ozean herangehen soll, sondern etwa 400 bis 500 Meter Abstand halten muss. Das liegt daran, dass die erhärtete Lava nahe am Ozean ganz neues Land und damit sehr instabil ist. Es kann immer wieder zu unterirdischen Explosionen kommen, die dann riesige Flächen in den Ozean reißen. Damit man das auch glaubt, werden gleich die Toten und Verletzten früherer Unglücke in sämtlichen Broschüren aufgeführt. Sie ignorierten die Hinweisschilder und wurden ins Meer gerissen. Nach einigen Kilometern stößt man übrigens plötzlich noch einmal auf ein Stück Straße, was völlig irreal anmutet.
In der Ferne sieht man eine riesige Dampfwolke. Das ist genau die Stelle, wo die Lava sich in den Ozean ergießt. Da die Lava ca. 2100 Grad Fahrenheit heiß ist (etwa 1000 Grad Celsius) und auf Seewasser stößt, kann man sich vorstellen, dass es schon recht heftig dampft. Auf halber Strecke unser Wanderung trafen wir dann übrigens auf ein Pärchen, das gerade auf dem Rückweg war -- und wie völlig elektrisiert ob des Erlebnisses wirkte -- und zudem auch noch aus der Nähe von San Francisco stammte. Wir fragten vorsichtig nach, wie man denn merken würde, dass man sich dem Lavastrom nähert (Michael behaupete nämlich steif und fest, da stünden sicher riesige Warnschilder). Nichts da: Nur die Füße werden heiß, sagte man uns. Und so war es tatsächlich auch: Die Wolke weht und bläst einem ätzende Dämpfe ins Gesicht. Die Lunge schmerzt und die Füße werden trotz dickster Wandersohle unglaublich heiß. Schaut man dann nach unten, sieht man die Lava unter seinen Füßen glühen.
Vergleichbar damit, auf glühenden Kohlen zu stehen. Wir glaubten zu schmelzen. Dazu knirschte es gewaltig, wenn wir auf die superfrische verkrustete Oberfläche traten. In diesem Moment denkt man überhaupt nicht mehr an die Gefahren. Man fühlt sich, als wäre man Teil dieses Schauspiels und wird ganz still, weil man plötzlich versteht, fühlt und erlebt, wie Erde entsteht. Unbeschreiblich! Als sich dann auch noch, als wir schon fast wieder auf dem Rückweg waren, die neu verkrustete Lava einen Meter von meinen Füßen entfernt urplötzlich auftat und langsam und gemütlich im knalligem Orange auf mich zufloss, konnten wir nur noch staunen. Obwohl sich der Rückweg dann doch quälend hinzog, waren auch wir wie berauscht und würden den weiten Weg jederzeit wieder laufen.
(Michael) Wenn ihr wissen wollt, wie die Lava nach Abbildung 1 am Anfang des Rundbriefs weiterfloss, braucht ihr euch nur Abbildung 10 anzusehen, das war wirklich beeindruckend.
Auf dem Hinweg sahen wir übrigens rote Lava-Ströme, die sich wie aus dicken Feuerwehrschläuchen ins Meer ergossen. Ich wollte noch schnell das Tele draufschrauben und näher hingehen, als wir feststellten, dass es sich nur um ein temporäres Phänomen handelte -- keine Fontänen mehr! Und nachdem auf dem Rückweg aus der scheinbar harten Lavamasse, über die wir hopsten, ein rotglühender Batzen austrat, passten wir genau auf, wo wir hintraten. Eieiei!
Am "South Point" gibt es diese Klippen, an denen früher Fischerboote herabgelassen wurden, 12 bis 15 Meter weiter unten schäumt der Ozean. Ein paar vielleicht 20-jährige Racker sprangen doch glatt hinunter! Ich hätte ja am liebsten meine Badehose aus dem Auto geholt und es ihnen nachgemacht -- aber plötzlich fiel mir ein, dass ich bald 36 werde: Schon kurz vor dem Greisenalter! So fotografierten wir die Racker nur und kamen uns recht alt vor.
Auf einen mittlerweile erloschenen Vulkan mit dem Namen Mauna Kea kann man mit dem Auto hochfahren. Dort hinauf führt nur eine ziemlich steile, ungeteerte Straße und nur eine einzige lokale Autovermietung (Harper) erlaubt es, die Tour mit den von ihr vermieteten "Toyota Four-Runners" (Vierradgetriebene Sport-Utility-Vehicles) in Angriff zu nehmen. Alle anderen in Amerika bekannten Autovermietungen (Dollar, Alamo, Avis) untersagen im Mietvertrag die Benutzung dieser Straße. Was sich als total lächerlich herausstellte, denn die Straße war zwar tatsächlich ungeteert, aber bestens in Schuss, breit wie eine Autobahn und gegen die 3000km australischer Wüste, die wir vor einigen Jahren in einem Landcruiser zurückgelegt haben, ein Klacks. Die Autovermietung knöpfte uns dann noch 22 Dollar pro Tag für eine Vollkasko-Versicherung ab, die eine Selbstbeteiligung von $5000 aufwies. Manchmal spinnen die Amis echt.
Das schöne an der Fahrt ist freilich, dass man von Meereshöhe in einer halben Stunde auf 4000m hochfährt. Die Sonnenmilchflasche im Auto pumpte es auf wie einen Ballon! Warum? Hier kommt die Antwort aus "Kinder fragen, Nobelpreisträger antworten": Also, Kinder ... das kommt von den, ähm, Molekülen. Die Sonnenmilchmoleküle befinden sich in einem luftdicht abschlossenen Behälter, der Sonnenmilchflasche. Und die Luft in 4000m Höhe ist viel dünner als auf Meereshöhe, weil wir ja schon fast im Weltraum sind, nicht wahr! Deswegen drücken die Luftmoleküle von außen nicht mehr streng auf die Sonnenmilchflasche. In der halbleeren Sonnenmilchflasche sind aber auch noch andere Luftmoleküle, die dort hineingelangten, als wir uns unten am Berg einschmierten. Weil die Flasche hermetisch verschlossen ist, herrscht dort auch am Gipfel immer noch der stärkere Meereshöhenluftdruck. Deswegen führen sich die Luftmolekühle in der Flasche auf wie ein warmes Weißbier, schreien "Boah, ist das eng hier!" und blasen die Flasche auf. Öffnet man den Verschluss, gleicht sich alles mit einem Pfft! wieder aus.
Auch den Tank im Auto soll man auf halber Höhe einmal entlüften. Warum, das sollen unsere Schulkinder als Hausaufgabe herausfinden. Explodierte Autos sahen wir allerdings keine. Oben auf dem Berg stehen einige imposante Sternwarten von der NASA und so, weil man über den Wolken in der total klaren Hawaii-Luft die Sterne ungetrübt genießen kann. Außerdem gibt es auf der ganzen Insel nur schwache gelbe Straßenlampen, um die Sterngucker nicht zu beeinträchtigen. Na, dafür zahl' ich gerne Steuern ...
Unten schlägt die Vegetation wegen des warmen und zugleich feuchten Klimas natürlich total über die Stränge: Urwaldartige Bäume, riesige Farne (auf der Insel Kauwai wurde der Film "Jurassic Park" gedreht) und tropische Früchte hängen an den Bäumen. Auf einem Markt haben wir kleine, frisch gepflückte Bananen gekauft und, mein Lieblingsessen: Passionsfrüchte, süß und zugleich so sauer, dass einem die Augen in den Höhlen herumhüpfen. Natürlich auch Ananas, Mango, Guave und Avocado. Wieder daheim, haben wir uns übrigens den Film "Molokai" aus der Videothek ausgeliehen. Der spielt auf der Nachbarinsel, auf der wir vor zwei Jahren waren. Und wir staunten nicht schlecht, als wir sahen, dass einer der Schauspieler im Film damals unser Fremdenführer war! (Wen's interessiert, der Typ heißt Richard Marx).
Übrigens sprechen die Hawaiianer Hawaii nicht "Hawaii", sondern "Hawa-i" aus. Zuerst das "Hawa", dann eine Zehntelsekunde Pause und dann das "i". In der Pause ist tatsächlich Funkstille, das "a" wird unterbrochen. Dasselbe gilt für die anderen Inseln, es heißt "Moloka-i", "Kawa-i" und so weiter. Aber als die Stewardess unseren Flug aufrief, sagte sie "Hawaiian Airlines" ohne Pause! Nur mit Mühe hielt mich Angelika davon ab, "Excuse me, actually it's pronounced 'Hawa-ii-an Airlines'" zu sagen!
Auch im Urlaub muss man einkaufen. Ein Wässerlein hier, ein Sektlein da. Warum nicht im selben Supermarkt wie daheim? In Amerika gibt es dieses Phänomen, dass man, egal wo man ist, immer auf die gleichen Ketten stößt: Den "Starbucks"-Kaffeeladen. Die Imbissbuden "McDonald's", "Wendy's", "Burger King", "Denny's" und "Taco Bell". Die Pizza-Läden "Roundtable" und "Pizza Hut". Den "Safeway" (Lebensmittel). Den "Good Guys" (Elektronik). Und natürlich den "Home Depot" (Heimwerker). Letzterer hat übrigens in San Francisco neuerdings 24 Stunden am Tag auf, damit man auch, wenn man nachts um 2 feststellt, dass man keinen passenden Schraubenschlüssel hat, schnell mit einem 24er-Satz nachrüsten kann. Ein Thema, über das man sich auch in Deutschland nicht scheuen sollte, nachzudenken!
Lustigerweise sind diese Läden innen immer gleich eingerichtet: Egal, ob man beim Safeway in New York, Chicago oder San Francisco vorbeischaut, das Brot ist immer ganz rechts neben dem Wein und das Gemüse liegt, wenn man reinkommt, links, schön mit Eiswasser besprüht, damit's frisch aussieht. Führt mich mit verbundenen Augen in den Safeway in Demoines/Iowa, wo ich noch nie war, und ich hole euch in 30 Sekunden ein Sixpack Bier aus dem Kühlschrank. Zweite Reihe von links, natürlich.
Dies hilft den Leuten hier, die ja viel öfter umziehen als zum Beispiel die Deutschen, sich in neuen Gegenden sofort zurechtzufinden. 5000 Meilen von zu Hause weg, aber wenigstens der Supermarkt erinnert an daheim -- der Mensch braucht Kontinuität. So zögerten wir auch nicht lange (bzw. ich traktierte Angelika so lange, bis sie zustimmte), auch auf Big Island zu unserem (genauergesagt meinem) Super-Supermarkt "Costco" zu gehen. Dort braucht man eine Mitgliedskarte (wie etwa beim "Metro" in Deutschland) und alles gibt's in Riesenpackungen und supergünstig. Und ich bin schier ausgeflippt, als dort ortsübliche T-Shirts mit Hawaii-Design und Surferhosen auslagen! Und das Mineralwasser war nicht "Crystal Geyser" wie daheim sondern hawaiianisches, sonst war alles gleich. Beinahe hätte ich mir das 48-teilige Autoreifenluftdruckset gekauft, aber in letzter Sekunde fiel mir ein, dass wir ja im Urlaub waren. Tja, schon völlig amerikanisiert eben ...
Was mir noch aufgefallen ist: Die unglaubliche Kälte, die in den Supermärkten auf Hawaii herrscht. Jeder Laden braucht, glaube ich, ein eigenes Atomkraftwerk, so kalt stellen die Leute dort die Klimaanlagen ein. Hat's draußen noch angenehme 25 Grad, kühlen sie drinnen auf 16 oder so runter, das gilt wohl als Luxussymbol. Dabei ist's in Hawaii auch in den Abendstunden noch herrlich warm, und wer aus San Francisco kommt, weiß wie wertvoll das ist. Als wir eines abends im Restaurant Roy's im T-Shirt draußen saßen und eine angenehme Brise einsetzte, kam gleich der Oberkellner an und brachte uns zwei weiße Küchenchef-Jacken zum Anziehen. Ein sehr guter Laden übrigens, das Roy's.
Eine weitere Spezialität auf Big Island ist der Kaffee aus Kona. Der wird tatsächlich dort angebaut, geerntet und geröstet. Das ist ungewöhnlich, weil Kaffee ein ganz besonderes Klima zum Gedeihen braucht.
Ein Pfund vom Besten kostet 25 Dollar! Wir schlossen uns einer Führung durch die Plantage an. Die Früchte, die auf Sträuchern wachsen und etwa wie Hagebutten aussehen, werden gepflückt, wenn sie rot sind.
Anschließend entfernt eine altertümliche Maschine ungefähr drei Schichten Schale, so dass kleine Kerne überbleiben, die aussehen wie eine Mischung aus Haselnuss und Haferflocke. Oder ungesalzene Erdnüsse ohne Schale. Diese trocknet man dann und schließlich kommen sie in die Rösterei, die sie anbrutzelt und ihnen den typischen Kaffee-Duft entlockt.
Wegen des Schälens und Röstens werden aus 5 Pfund Kaffeefrüchten übrigens nur 1 Pfund Kaffee, deswegen, so die nicht dumme Fremdenführerin, wäre Kaffee so teuer. Auf der Farm gab es außerdem noch Macademia-Nüsse, davon kaufte ich mir auch gleich einen Sack. Doch dann fiel mir ein, dass man, um nach Kalifornien zurückzureisen, durch das sogenannte "Agriculture" muss. Obwohl man nur von einem US-Bundesstaat in den andern wechselt, gschafteln die Damen und Herren der amerikanischen Landwirtschaftsbehörde wichtig herum und kontrollieren, ob man Pflanzen mit Schädlingen einführt, die die kalifornische Landwirtschaft gefährden könnten. Also aß ich den ganzen Sack Nüsse, bis mir schlecht war! Da Nüsse bekanntlich Gehirnnahrung sind, widerlegte ich nebenbei noch schnell die Relativitätstheorie.
In Hawaii gibt es ein altes Gesetz und das heißt: Jeder Strand muß öffentlich zugänglich sein. Wenn eine Hotelkette sich in Strandnähe niederlässt, muss sie einen kleinen Zugang zum Strand offenlassen. Zähneknirschend lassen einen dann die livrierten Angestellten passieren, wenn man mit Badelatschen an ihnen vorbei zum Strand schlappt. Kein reicher Schnösel darf sich seine Burg an den Strand bauen und sie mit einem Zaun abriegeln -- der Strand ist für alle da. Das ist sehr ungewöhnlich im kapitalistischen Amerika, weil hier eigentlich Landeigentum unantastbar ist. Ich erinnere mich an Gegenden an der Ostküste, in denen man stundenlang mit dem Auto herumgurken musste, um an den Strand zu kommen, weil Haus an Haus am Strand entlang gebaut und alles abgeriegelt war.
Hawaii hat Strände für Touristen und auch welche für die Ansässigen. Touristenstrände sind ausgeschildert. Dort fahren alle Deppen hin. Strände der "Locals" sind geheim. Da stehen plötzlich fünf Autos ohne erkennbaren Grund auf dem Pannenstreifen einer Landstraße geparkt (das nimmt man auf Hawaii nicht so genau) und man muss sich einfach dazustellen, und dann durch eine Wildnis latschen, bis plötzlich Palmen auftauchen und ein paar Lümmels auf ihren Boards in den Wellen surfen und doof kucken, falls man als Tourist auftaucht.
An einem Strand brachte ich es fertig, einen Einheimischen versehentlich in einer Welle auszubremsen, weil wir zu nahe beieinander surften. Angelika hat das Ganze vom Strand aus beobachtet und berichtete mir hinterher, der Einheimische habe wütend mit der Faust aufs Wasser geschlagen, während ich schnell das Weite suchte. Was habe ich gelacht, als ich ein paar Minuten später durch einen blöden Zufall beinahe wieder in denselben Menschen hineinrauschte. Zum Glück konnte ich noch rechtzeitig unten in die Welle reinspringen und abtauchen, sonst hätte es einen bösen internationalen Zwischenfall gegeben!
Die ganze Zeit über hatte ich keinen Laptop mit. Der Pager streikte und auch das Handy funktionierte nicht, so abgelegen war die Gegend. So stand ich vor dem Problem, mehr als eine Woche ohne Zugang zu Aktienkursen dahinzuvegetieren! Zu meiner Rettung gibt's in Amerika die Internet-Startup-Firma "Tellme" (übrigens auch in Mountain View, wo Netscape ist), die über einen Telefonservice Internetinformationen anbieten. Wie alle neuen Internetfirmen machen sie haufenweise Verluste, um Kunden zu gewinnen. "Tellme" bietet eine kostenlose Rufnummer (1-800-555-TELL) an, hinter der ein Spracherkennungssystem hängt, das versteht, ob man "Stock Quotes" oder "Restaurants" sagt und dementsprechend Auskunft über Aktienkurse oder Restaurants gibt. Es ist zwar etwas peinlich, an einem öffentlichen Fernsprecher zu stehen und dauernd Stichworte auszustoßen ("Stock Quotes!" ... "America Online!" ... "Yahoo!" ... "Microsoft!") aber was macht man nicht alles, um auf dem Laufenden zu bleiben, selbst im Südseeparadies.
Bis zum nächsten Rundbrief, wieder aus San Francisco!
Angelika und Michael
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