24.12.2025   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 161  
San Francisco, den 24.12.2025


Abbildung [1]: Weihnachten 2025

Angelika Ich bin dieses Jahr sehr spät dran mit meinem Weihnachtsrundbrief. Aber zunächst mussten etliche Weihnachtsfeiern absolviert werden, dann waren die handgeschriebenen Karten auf den Weg zu bringen, die Weihnachtscollage zu kreieren, und der Baum musste traditionell natürlich auch noch von mir am 24.12. geschmückt werden. Dieses Mal ist er ganz in Weiß gehalten. Es dauerte allerdings eine Weile, bis wir ihn im Ständer hatten, denn Michael begann noch mit umfangreichen Sägearbeiten, bis der Stamm perfekt war. Um die diversen Sägen zu aktivieren, gleicht das bei uns in der Wohnung immer ein wenig einem Puzzlespiel, denn sie sind überall verstaut, da wir kaum Platz haben und auch über keinen Keller verfügen. Aber schließlich haben wir es geschafft.

Die Weihnachtszeit ist für mich an der Deutschen Schule immer besonders schön. Der Höhepunkt ist dabei der Weihnachtsmarkt. Da komme ich voll auf meine Kosten. In Schulen verläuft vieles ja zyklisch: Vor den Ferien muss noch viel erledigt werden, es wird oft hektisch, bis dann alle mit leuchtenden Augen in die wohlverdiente Auszeit gehen. Ein turbulentes Jahr liegt hinter uns, mit einem enormen Tempo, und wir konnten kaum fassen, dass es schon wieder Zeit war, einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Oft war das Jahr auch anstrengend, nicht zuletzt wegen der vielen Schreihälse auf dieser Welt. Das scheint mittlerweile fast salonfähig zu sein, je lauter, desto besser. Ich sage ja immer, wer schreit, hat meist Unrecht.

Manchmal muss man dieses Geschrei ausblenden, und ich bediene mich seit jeher der Strategie zu lesen, wenn ich in andere Welten abtauchen möchte. Lesen erheitert, tröstet, erweitert den Horizont und macht einfach Spaß. Weihnachten ist für mich seit jeher eng mit dem Lesen von Geschichten verbunden. Als Kinder wurde uns in der Adventszeit vorgelesen, und auch später gab es für mich nichts Schöneres, als Bücher zu Weihnachten geschenkt zu bekommen und während der Feiertage meine Nase in verschiedene Bücher zu stecken.

Deshalb möchte ich euch heute ein Buch besonders ans Herz legen, das ich in diesem Jahr gelesen habe und das für mich zu den besten Lektüren der letzten zehn Jahre gehört. Ich habe es inzwischen schon mehrmals verschenkt. Es stammt von der amerikanischen Autorin Barbara Kingsolver, die dafür 2023 den renommierten Pulitzer-Preis erhielt. Der Titel lautet Demon Copperhead, sowohl im Original als auch in der deutschen Übersetzung, angelehnt an Charles Dickens David Copperfield. Die Geschichte spielt in einer der ärmsten Regionen der USA, den Appalachen, die stark von wirtschaftlichen Umbrüchen betroffen sind und schwer unter der Opioidepidemie leiden, die viele Familien vollständig zerstört hat.

Das Buch wird aus der Sicht von Demon erzählt, dem Sohn einer sehr jungen alleinerziehenden Mutter, die selbst viel Gewalt erfahren hat. Es greift Themen wie Armut, Drogensucht, Gewalt, Jugendheime, Kinderarbeit und systemisches Versagen auf, und erzählt davon in brutaler Ehrlichkeit. Gleichzeitig erlebt Demon aber auch immer wieder Freundschaft und Menschlichkeit und zeigt über lange Zeit eine erstaunliche Widerstandskraft. Man lernt dabei viel über die USA und über Menschen, die sich von allen verlassen und verraten fühlen. Das Buch ist ein dicker Schinken, typisch für Barbara Kingsolver, aber ich war richtig traurig, als ich es zu Ende gelesen hatte, so sehr hat es mich eingesogen.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen im neuen Jahr mehr Zeit zum Lesen und natürlich frohe Weihnachten!

Angelika und Michael

P.S.: Meine Collage trägt dieses Jahr übrigens den Titel Things Seem Different Underwater.

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