09.05.2010   Deutsch English

  Rundbrief Nummer 86  
San Francisco, den 09.05.2010


Abbildung [1]: Diese zwei Wallstreet-Krawatten kümmern sich wohl nicht um die Washsale-Regel, sondern spekulieren auf Teufel komm raus.

Michael Aktieninvestoren erfreuen sich hierzulande erstaunlich großzügiger Steuerregelungen. So zahlt man auf Aktiengewinne nur eine Long Term Capital Gains Tax genannte Pauschalsteuer von maximal 15%, falls zwischen Kauf und Verkauf einer Aktie mindestens zwölf Monate liegen.

Damit fördert der Staat besonders die Superreichen, die mit diesem Verfahren Milliardengewinne abschöpfen und davon lächerliche 15% Steuern abführen. Der Milliardär und Aktienfuchs Warren Buffet hat einmal behauptet, dass sein Steuersatz geringer als der seiner Sekretärin sei. Der Mann hält sein Gehalt bewusst niedrig, und bezieht den Löwenanteil seines Einkommens aus langfristigen Kursgewinnen sorgfältig ausgesuchter Aktien.

Abbildung [2]: Der amerikanische Staat fördert es, wenn die Bürger in Aktien investieren.

Auf der anderen Seite profitiert der Staat von langfristigen Investitionen der Superreichen in Aktien amerikanischer Unternehmen. Auf Zinsen aus Pfandbriefen oder Sparguthaben müssten die Superreichen irre Steuersätze zahlen, und deswegen pumpen sie ihre Milliarden lieber in die risikoreicheren Aktien. Daytrader, die Spekulationsgewinne durch kurzfristige Käufe und Verkäufe realisieren, sind dem Staat dabei ein Dorn im Auge, aber durch die Zwölfmonatsregel schauen sie in die Röhre und müssen Gewinne als normales Einkommen versteuern.

Abbildung [3]: Aktienverluste lassen sich lindern, wenn man die Washsale-Regel beachtet.

Eine weitere interessante Regel greift bei Verlusten: Diese zieht der Steuerfuchs von vorliegenden Aktiengewinnen ab und versteuert nur was unterm Strich übrig bleibt. Falls ihre Aktiengeschäfte in einem Jahr insgesamt einen Verlust einfahren, dürfen Bürger sogar bis zu $3000 von ihrem sonstigen Einkommen abziehen. So kriegen sie zwar das verlorene Geld nicht ersetzt, zahlen aber zumindest auf den verpulverten Betrag keine Einkommenssteuer, und die kann, wie schon einmal in Rundbrief 11/1999 erläutert, für Besserverdiener in Kalifornien fast 50% betragen. Übersteigt der Verlust $3000, darf der Steuerzahler den Restbetrag auf kommende, hoffentlich erfolgreichere Jahre anrechnen, doch nie mehr als $3000 im Jahr.

Abbildung [4]: Die junge Dame hat gerade festgestellt, dass sie einen eingefahrenen Aktienverlust wegen der Washsale-Regel nicht absetzen darf.

Aber auch hier schützt sich der Staat vor Spekulanten. So könnte jemand, der eine abgestürzte Aktie besitzt, diese mit Verlust verkaufen, den Verlust absetzen, dann aber sofort wieder nachkaufen, um den Gewinn abzusahnen, falls der Kurs sich kurz darauf wieder erholt. Doch der Steuergesetzgeber ist nicht auf den Kopf gefallen, denn er nennt eine Transaktion, bei der zwischen Verkauf und Neukauf einer Aktie weniger als 30 Tage liegen, einen "Washsale", und verbietet das Absetzen des Verlusts.

Dies gilt übrigens auch dann, falls der Nachkauf vor dem verlustreichen Verkauf erfolgte, denn sonst könnte man die Washsale-Regel ja einfach umgehen, indem man einen zweiten Posten der Aktie billig nachkauft, und kurz danach den ersten Posten verkauft und den Verlust absetzt. Auch hier müssen zwischen beiden Transaktionen mindestens 30 Tage liegen, sonst trägt der Anleger den Verlust zur Gänze selbst. Verkauft man die Aktien mit Gewinn, spielt ein "Washsale" keine Rolle, denn man kann ja nichts absetzen. Steuerprogramme wie "Turbo Tax" kennen die Regel natürlich aus dem Eff-Eff und tragen eventuell abzusetzende Beträge korrekt ein. Aber wenn ihr die Definition des Begriffs "Washsale" herunterrattern könnt, wisst ihr mehr über das amerikanische Steuerrecht als 99% aller Amerikaner.

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