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  Rundbrief Nummer 41  
San Francisco, den 06.12.2002


Abbildung [1]: Superreicher Schauspieler

Nach einem Fünf-Stunden-Flug von Oakland (bei San Francisco) brachte uns eine kleine Propellermaschine von Honolulu nach Lanai. Angelika hatte alles perfekt geplant: Wir würden einen Jeep mit Vierradantrieb mieten (übrigens zu einem nur auf einer einsamen Insel durchsetzbaren Fantasiepreis) und die Sehenswürdigkeiten entlang der ungeteerten Straßen abklappern, was wir gleich am ersten Tag anfingen, indem wir den Spielzeug-Jeep (Marke Jeep Wrangler) über eine Straße mit zum Teil recht tiefem Sand halbwegs professionell zu einem seit Jahrzehnten vor einem einsamen Strand liegenden Schiffswrack manövrierten.

Abbildung [2]: Am Shipwreck-Beach treibt ein Schiffswrack im Wasser

Abbildung [3]: Der fröhliche Jeep-Mieter

Allerdings brach in der folgenden Nacht ein kleiner Platzregen aus. Das traf uns überraschend, denn seit März hatte es in San Francisco, wie jedes Jahr, keinen Tropfen geregnet. Wie sich am nächsten Tag herausstellte, hatte das nachts heruntergeprasselte Wasser alle ungeteerten Straßen der Insel in Wasserlöcher und zum Teil sogar in reißende Flüsse verwandelt, die gerade noch mit einem Panzer befahrbar gewesen wären, allerdings nichts für einen Angeber-Jeep mit Kinderautoreifen. Statt, wie uns empfohlen wurde, den Jeep zurückzugeben und mit einem Buch im Sofa der Hotel-Lounge abzuhängen, zogen wir schwere Bergschuhe und unsere Gore-Tex-Jacken an, fuhren mit dem Jeep an die Trail-Eingänge, stellten ihn ab und liefen sie zu Fuß.

Abbildung [4]: Aber hier hakt's schon aus ...

Abbildung [5]: ... denn der Batz klebt hartnäckig

Zum Teil war es wirklich abenteuerlich, streckenweise waren die Wege einen halben Meter unter Wasser, so dass wir uns Hunderte von Metern durch dichtes Gebüsch schlagen mussten, um weiter zu kommen. Aber der "Garden of the Gods", eine Ansammlung von großen, runden Steinen auf rotem Sand, war es wirklich wert, diese Strapaze durchzuhalten. Am Abend im Hotel standen wir freilich als Helden da. Außer drei jungen, mit einer dicken Schlammschicht überzogenen Leuten mit Mountain-Bikes trafen wir niemand. Die drei hatten, wie sich später herausstellte, gerade angefangen, in einem der Luxus-Resorts als Kellner zu arbeiten, nachdem man sie aus Alaska abgeworben hatte. Einer der drei erzählte, dass er am Abend zuvor im Resort-Restaurant den Gitarristen "Slash" der Gruppe Guns 'N Roses bedient hatte!

Abbildung [6]: Garden of the Gods

Lanai ist winzig. Es gibt einen Flughafen, zwei Resorts, ein Hotel, zwei Imbissbuden und eine Gaststätte, die keine Ausschanklizenz hat, weswegen man Wein/Bier kostengünstig in einem von zwei Supermärkten kaufen und mitbringen darf -- das wird anstandslos serviert. Bleibt man eine Woche, muss man mehrmals in derselben Gaststätte essen, deren Menüs nicht einmal wechseln, das hängt einem schnell zum Hals raus. Bis auf eine Ausnahme gibt's typischen Amifraß, den's eigentlich in Amerika schon gar nicht mehr gibt (zumindest nicht in San Francisco). In den Resorts gibt's superteure (und ich meine *viel* teurer als in San Francisco, wenn euch das etwas sagt) Restaurants mit ganz gutem Essen, das aber keinesfalls das viele Geld wert ist. Dort verkehren golfspielende Schnösel, vorwiegend aus USA und Japan/Korea, die alle gleich angezogen sind: tagsüber weiße Shorts und Polo-Shirt, am Abend beige "Slacks" und Hemd. Die Resorts sind teuer ($300 die Nacht) und geschmacklos. Man kann auch Bungalows mit Butler mieten ($2000 pro Nacht), was angeblich Filmstars gerne machen. Wir wohnten im "Hotel Lanai" in der "Innenstadt" von Lanai City (geschätzte 3000 Einwohner) zu relativ vernünftigen Preisen und lachten über die Resort-Kasperln, die sich außerdem schwarz ärgerten, weil wegen des Regens sogar die Golfplätze gesperrt waren!

Abbildung [7]: Michael sinniert an der Haustür in den Regen hinein

An einem anderen Tag nahmen wir uns den "Munro-Trail" vor, eine etwa 20km lange Offroad-Strecke, die kreuz und quer durch Lanais höchste Bergkette führt. Durch Nebel und Regen waren die grandiosen Ausblicke zwar teilweise völlig unsichtbar oder auf kleine "Fenster" beschränkt, aber der Weg führte dramatisch durch Wolken, die unschlüssig herumlungerten und sich nicht entscheiden konnten, ob sie noch abregnen wollten oder nicht.

Abbildung [8]: Grell: Die Farben

In Hawaii ist es scheinbar, ähnlich wie auf dem amerikanischen Festland, ganz und gar unüblich, größere Strecken zu Fuß zurückzulegen. So fragten wir den Concierge in einem Super-Luxus-Resort nach dem Weg, worauf dieser merklich zögerte und zu verstehen gab, dass er uns zwar den Weg erklären, aber keinerlei Verantwortung dafür übernehmen könne, was uns eventuell zustoßen könnte. Ich hielt das wieder für amerikanische Übervorsichtigkeit, die Betriebe gerne an den Tag legen, um sich vor gigantischen Schadensersatzforderungen zu schützen und deutete lachend auf die schweren Bergstiefel deutscher Bauart, mit denen ich über den Holzfußboden der noblen Hotelhalle marschiert war. Wir erfuhren aber am nächsten Tag von unserer Hotelmanagerin, dass der Concierge tatsächlich dort angerufen und sich besorgt über die beiden verrückten Wanderer geäußert habe. Gut, gut, auf gebirgiger Strecke 20km zurückzulegen, ist nicht von Pappe, aber die fitnessstudiogestählten Rundbriefreporter schaffen das!

Abbildung [9]: Unsere Fußstapfen sind die einzigen weit und breit

Abbildung [10]: Ehemalige Plantage auf Lanai/Hawaii

Am Ende des Weges stand ein Wegweiser mit der Aufschrift "Exit", der über eine ungeteerte Straße offensichtlich zur Landstraße wies. Wir sahen aber Lanai City am Horizont und wählten eine alte Plantagenstraße, die dorthin zu führen schien. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, dass diese aus rotem Staub bestehende und ca. 10 Meter breite Straße sich wild gabeln und um irrsinnige Kurven herumführen würde. Die hügelige Plantagenlandschaft mit dem mannshohen unpassierbaren Unkraut, das die ursprünglichen Ananasstauden mittlerweile ersetzt hatte, bot keinerlei großflächige Orientierung. Nachdem wir einige Gabelungen ausprobiert hatten, die dann kurze Zeit später in wilden Kurven zurück zum Berg und weg von der Landstraße führten, stellte sich leichte Panik ein, denn in zwei Stunden würde die Dunkelheit hereinbrechen (was auf Hawaii bedeutet, dass es blitzartig kuhnacht wird) und wir waren noch immer rund 10 Kilometer von Lanai City entfernt.

Abbildung [11]: Warten auf Mitfahrgelegenheit

Wir liefen also wieder zurück zum "Exit"-Schild und folgten dem Staubweg bestimmt vier Kilometer lang, bis wir auf die Landstraße stießen. Wegen der drohenden Dunkelheit hatten wir unsere Schritte auf Sturmtruppenmarschgeschwindigkeit beschleunigt und stellten, an der Schnellstraße angekommen, erschöpft fest, dass nur etwa alle fünf Minuten ein Auto vorbeikam, von denen aber keines anhielt, obwohl wir den Daumen raushielten. Schließlich kam ein kleiner Pickup-Truck daher, in dessen Führerhäuschen zwei etwa 18-jährige asiatische Jungs saßen, die prompt anhielten und uns anboten, auf der Liegefläche des Pickups Platz zu nehmen. Sie fuhren die 8 Kilometer auch wie der Blitz, und schwenkten am Ende sogar in die halbkreisförmige Hoteleinfahrt ein, wo wir absprangen, uns herzlich bedankten, in unser Zimmer marschierten, schnell duschten, um rechtzeitig um 7 Uhr an unseren reservierten Tisch im feinen Restaurant Platz nahmen, wo wir lachend feststellten, dass einer der beiden Buben dort als Serviergehilfe arbeitete!

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Letzte Änderung: 21-Nov-2017