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  Rundbrief Nummer 21  
San Francisco, den 26.05.2000


Friseure in den USA

Und noch eine Geschichte, die so wirr ist, dass sie kaum zu glauben ist: Jeder, der schon mal in Amerika war, weiß, dass es sehr schwierig ist, einen Frisör zu finden, der auch wirklich in der Lage ist, Haare zu schneiden. In Amerika gibt es ja kein direktes "Handwerk", hier kann sich jeder Frisör nennen, dem es danach beliebt. Nicht so wie in München, wo in der Friedenheimer Straße ein Meister seines Fachs die Schere schwang: Meister "Pablo" bei "Design in Hair" -- wohl auf der ganzen Welt -- jawohl, Welt! -- unerreicht. Ich war erst ein paar Wochen in San Francisco, da lechzte mein Kopf nach einem Haarschnitt und ich ging nichtsahnend in einen x-beliebigen Frisörladen in der 24sten Straße bei uns um die Ecke. Nach den ersten 10 Sekunden auf dem Stuhl wurde mir klar, dass der Kerl, der mir die Haare schnitt, keine Ahnung davon hatte. Es kostete mich fast ein halbes Jahr an Enttäuschungen, bis ich, von Frisörsalon zu Frisörsalon irrend, schließlich durch Zufall im italienischen Viertel von San Francisco einen Herrn fand, der die Kunst des Haareschneidens beherrschte. Da ich damals im italienischen Viertel (genannt: North Beach) arbeitete, war das sehr praktisch, ich ging einfach in der Mittagspause kurz zum Haareschneiden. Dann arbeitete ich plötzlich in San Mateo und schließlich in Mountain View, wollte aber weiterhin in den Genuss eines guten Haarschnitts kommen -- so fuhr ich halt alle sechs Wochen samstags eine halbe Stunde quer durch die Stadt nach North Beach, um mein Haar dort gekonnt kürzen zu lassen. Aber, oh weh -- eines Samstags hing in dem Laden ein Schild, das mitteilte, dass der Herr am Wochenende an einem Ort namens "SF Hairport" arbeitete. Grummelnd fuhr ich heim.

Nun begab es sich, dass wir am darauffolgenden Sonntag am Flughafen von San Francisco verweilten, denn die Schünkes, Angelikas Eltern, wollten nach einem Besuch den Rückflug in die Heimat antreten. Ich schlenderte an einem dieser Flughafenfrisörsalons vorbei, lugte zufällig hinein -- und konnte es nicht fassen: Das saß mein Frisör aus North Beach! Ich stürmte natürlich sofort in den Laden, schließlich kennen wir uns zwischenzeitlich sehr gut, wir unterhalten uns immer sehr angeregt über die Situation in den Stadtvierteln North Beach, Mission (wo der Frisör herkommt) und den Aktienmarkt. Einmal gab der Frisör sogar, während er mir die Haare schnitt, am Telefon eine Order an seinen Aktien-Broker durch! Es begab sich also in dem Flughafenfrisörsalon, dass ich zufällig mitbekam, dass auf dem Frisörstuhl gerade ein Herr aus Deutschland saß, und das war natürlich lustig, wir drei unterhielten uns angeregt auf Englisch über Gott und die Welt. Da kam ein anderer Herr zur Tür herein und fragte irgendwas. Obwohl er sich Mühe gab, amerikanisch zu sprechen, dauerte es natürlich keine Zehntelsekunde, bis auch er als Deutscher entlarvt war -- und aus einer Laune heraus machte ich Witze und fragte, ob er auch usw. ... und was sagte der Mensch? "Yes". Und verschwand wieder durch die Tür nach draußen. Jahrelang habe ich geschwiegen! Jetzt reicht's! Ich halte es nimmer aus! Ich muss reden: Liebe deutsche Landsleute! Seid doch nicht immer so griesgrämig! Ihr seid -- wie das Wetter daheim. Regen, Regen, Regen. Habt ihr eigentlich nie Spaß? Nie gute Laune? Einfach mal so Lust, euren Humor zu verstrahlen, ohne besonderen Grund? Ein "tanzender Stern" im Sinne Nietzsches zu sein? Ach, es wird schwierig, nach Deutschland zurückzukehren ...

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