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  Rundbrief Nummer 103  
San Francisco, den 21.09.2013


Abbildung [1]: Der neue östliche Bogen der Bay Bridge sieht schon imposant aus.

Angelika Vor etwa 24 Jahren, genauer am 17. Oktober 1989, rüttelte ein Erdbeben der Stärke 6,9 San Francisco durch. Zum Opfer fiel ihm ein Teil der Bay Bridge, die San Francisco mit Oakland verbindet. Ein Stück der oberen Fahrbahn krachte dabei auf die untere und eine Autofahrerin kam dabei auf der Brücke zu Tode. Es war gleich nach dem Erdbeben klar, dass die Brücke die nächste Schockwelle nicht mehr überstehen würde und deswegen dringend ersetzt werden musste. Und damit begann der Streit, um eine neue Brücke: Kosten, Design, Hängebrücke, ein- oder wieder doppelstöckig, mit Fahrrad- und Fußgängerweg oder ohne? Um Alles und Jedes wurde gefeilscht. Erschwerend kam hinzu, dass zwei Städte, nämlich San Francisco und Oakland, sich einigen mussten. In beiden regierten Bürgermeister mit überdimensioniertem Geltungsbewusstsein, Willie Brown in San Francisco und Jerry Brown, der jetzige Gouvernor von Kalifornien und damalige Bürgermeister von Oakland. Aber am Dienstag, dem 3. September 2013, nach fast 24 Jahren Baudrama, eröffneten die Verantwortlichen schließlich die neue Brücke.

Nur der östliche Teil ist neu, also der Abschnitt der Oakland mit Yerba Buena Island in der Mitte verbindet. Der westliche Teil, der den Autofahrer dann wieder übers Wasser nach San Francisco leitet, blieb bestehen. Dieser ürsprüngliche Brückenteil stammt aus den 30er Jahren, als die Brücke eröffnet wurde, allerdings wurde er erdbebensicherer gemacht. Ingenieure tauschten zum Beispiel tragende Stahlelemente aus. Im Januar 2002 begann der Neubau des neuen östlichen Brückenabschnitts, der parallel zu der alten Brücke verläuft. Und das Drama ging weiter: 2009 fanden Ingenieure bei Kontrollen Risse in einem Stahlträger (Rundbrief 11/2009), worauf heftige Diskussionen entbrannten, ob es sich bei dem Stahl für den neuen Teil, der aus China kam, um ein Billigprodukt "Made in China" handelte. Kurz vor der Fertigstellung der Brücke entdeckten Ingenieure, dass die riesigen Stahlbolzen, die die neue Brücke im Fall eines Erdbeben stabilisieren sollen, bereits Risse aufwiesen. Die Bolzen kamen allerdings dieses Mal nicht aus China sondern von einer amerikanischen Firma. Wieder gab es Streit: Kann man die Brücke überhaupt eröffnen oder müssen die defekten Bolzen erst repariert werden? Man einigte sich schließlich, dass es gefährlicher wäre, während eines Erdbebens über die alte Brücke zu fahren, als über die neue mit den defekten Bolzen, auch wenn deren Reparatur Monate in Anspruch nehmen wird. Nicht gerade vertauenserweckend, das ganze Unternehmen. Wegen der Misere sagte man allerdings kurzerhand die groß geplante Eröffnungsfeier ab, was ich persönlich sehr schade fand.

Abbildung [2]: Angelika auf dem Fußgängerweg, links die neue, rechts die alte Bay Bridge.

Nun musste aber noch der neue östliche Teil mit dem alten westlichen Teil verbunden werden. Um dies zu vollbringen, schloss man kurzer Hand die gesamte Brücke über das verlängerte Labor-Day-Wochenende für schlappe fünf Tage. Es war ein Wunder, dass nicht alles zum Erliegen kam, denn schließlich fahren täglich 240.000 Autos über die Bay Bridge. Ab Mittwoch, den 28. August durfte ab 20 Uhr kein Fahrzeug mehr auf die Brücke, egal in welche Richtung. Da ich an diesem legendären Mittwoch in der East Bay arbeitete, fuhr ich gegen 6 Uhr abends noch ein letztes Mal drüber. Dabei kam bei mir tatsächlich ein bisschen Sentimentalität auf. Während ich über die Brücke brauste, warteten schon schwere Baufahrzeuge am Straßenrand. Nach fünf Tagen Schließung war es am Dienstag in den frühen Morgenstunden dann soweit: die Polizei ließ die ersten Autofahrer auf den neuen östlichen Teil. Auch ich kam am Dienstag gleich in den Genuss. Die neuen weißen Brückenpfeiler strahlten dabei mit der Sonne um die Wette.

Abbildung [3]: Gegenüber dem Ikea in Emeryville beginnt der Bay-Trail auf die Bay Bridge.

Das absolut Beste ist aber, dass Fußgänger und Radfahrer jetzt tatsächlich Zugang zum neuen östlichen Teil der Brücke haben. Ein Fuß- und Radweg macht es möglich. Das mussten Michael und ich natürlich letztes Wochenende gleich ausprobieren. Der Fußmarsch ist nicht ohne, denn der Weg zieht sich schon über 3 Kilometer hin bis man überhaupt die Brücke erreicht. Hin und zurück brachten wir es auf weit über 13 Kilometer. Gegenüber von Ikea in Emeryville geht der Weg los, führt dann durch rustikal aussehende Industriegebiete und Autobahnbrücken auf die Bay Bridge. Der Parkplatzwart tobt natürlich ein wenig, weil viele auf dem Ikea-Parkplatz parken, um sich auf die Wanderung zu begeben, aber ich behaupte, dass das ein Bombengechäft für Ikea ist, denn auch wir sprangen nach dem Fußmarsch schnell noch zu Ikea rein, nach dem Motto: Wenn wir schon einmal da sind. Ein weiteren Zugang führt von Oaklands Maritime Street auf die Brücke.

Die Wanderung bietet tolle Ausblicke auf das Wasser, San Francisco und die alte Brücke, die jetzt während der nächsten paar Jahre stückweise abgebaut wird. Wir staunten, wieviele Leute unterwegs waren: Eltern mit Kinderwagen, Kinder auf Rollern, Fahrradfahrer, Jogger und Fußgänger. Zur Zeit endet der Fußweg noch kurz vor Yerba Buena Island. Deshalb nennen wir Einheimischen ihn auch liebevoll "Steg", denn die alte Brücke muss erst weg, bevor der Fuß- und Radweg an Yerba Buena Island andocken kann. Allerdings geht er dann immer noch nicht weiter bis nach San Francisco, aber es hat sich schon eine Lobby dafür gebildet. Alex Zuckermann von der East Bay Bike Coalition haben wir für den Fuß-und Radweg zu danken. Er kämpfte sein Leben lang in politischen Gremien dafür, die Bay Bridge für Fahrradfahrer zugänglich zu machen. Leider starb er 2007 in Alter von 86 Jahren und kam deshalb nicht mehr dazu, die Bay Bridge zu erradeln. Aber der Fuß-und Radweg ist nach ihm benannt und er hätte sicherlich seine helle Freude daran gehabt, zu sehen, wie beliebt er bereits ist.

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Letzte Änderung: 20-Jul-2014