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  Rundbrief Nummer 16  
San Francisco, den 08.08.99
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Abbildung [1]: Der Netscape-Hacker mit seiner Ausrüstung

Auch nehme ich mir mittlerweile jeden Tag eine halbe Stunde Zeit, um endlich gescheit Basketball zu lernen -- einer der Basketball-Courts liegt direkt vor dem Gebäude, in dem ich arbeite, und in meinem Cubicle liegt, seit ich beim Target-Supermarkt einen gekauft habe, stets ein Basketball bereit. Gespielt wird Mann gegen Mann, wie in New-York-Harlem auf der Straße! Es ist unglaublich, wie gut manche Amerikaner Basketball spielen können, ich habe zwar noch keinen gesehen, der einen Slam-Dunk hinlegen konnte (dazu muss man so hoch springen, wie der Korb hängt, und den Ball mit einer Hand reinknallen), aber das Spielniveau ist viel höher als in Europa. Jeder hat zumindest ein paar Tricks auf Lager, und ich kann noch nicht recht viel, aber es wird täglich besser. Das Problem ist nur, dass, wenn ich in der Sommerhitze, und im Silicon Valley hat's im Sommer schon mal 40 Grad, auf dem Basketball-Court rumhetze und danach in mein Cubicle zurückkehre, ich schwitzen muss wie ein Schwein. Neulich kam ich grade von einem anstrengenden Match zurück und gleich darauf kam jemand an meinem Cubicle mit einer Frage an, also setzte ich an, ein technisches Problem zu erläutern, und während ich redete, merkte ich, dass ich brutal anfing zu schwitzen. Es trieb mir richtig die Schweißtropfen aus den Poren raus, und der Kollege begann sich schon zu wundern und mich fragend anzusehen, da er ja nicht wusste, dass ich ja noch Minuten vorher auf dem Sportplatz rumgetobt hatte. Das war dann sehr lustig, als ich erzählte, dass das nicht an seiner Frage gelegen hatte, sondern an der körperlichen Anstrengung. Erst neulich gelang es mir in einer einzigartigen Aktion, einen meiner Kollegen mit 5:4 zu besiegen -- zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass er wegen eines wichtigen Projekttermins die Nacht durchgearbeitet und auf einem der bei Netscape herumstehenden Sofas nur zwei Stunden geschlafen hatte -- dennoch: ein Achtungserfolg!

Abbildung [2]: Basketball bei Netscape

Mein Kollege Dan bei Netscape hat eine Schlange im Büro. Sie heißt "Slash". Ich hatte ja schon von den Hunden berichtet, die manche Mitarbeiter mitbringen. Beliebt sind auch Aquarien in den Cubicles. Und Dan hat eben ein Terrarium mit einer Schlange, nur 60cm lang, aber immerhin. Einmal im Monat bekommt sie eine Maus zu fressen. Vor ein paar Tagen war's soweit: In der Mittagspause besorgte Dan eine Maus aus einer Tierhandlung und warf sie zur Schlange hinein. Diese verhielt sich zunächst ganz ruhig und beobachtete seelenruhig, wie die Maus hin- und herrann. Dann plötzlich sperrte sie den Rachen auf, schnappte nach der Maus und bohrte ihre langen Zähne hinein. Die Maus hatte bald ausgezappelt und die Schlange, deren Kopf vielleicht zwei Zentimeter groß ist, begann ihr Maul über die viel größere Maus zu stülpen, es dauerte ein paar Minuten und dann verschwand die Maus langsam in der Schlange, deren Körper sich entsprechend auswölbte. Nichts für schwache Nerven.

Die Netscapeler haben übrigens bessere Urlaubsbedingungen als wir von AOL. Wer vier Jahre bei der Firma ist, darf 4 Wochen lang ein sogenanntes "Sabbatical" nehmen. Im Wörterbuch steht, dass das das "Ferienjahr eines Professors" ist. Es soll dazu dienen, dass man alle paar Jahre mal in sich geht und darüber nachdenkt, wie es so weitergeht im Leben. Viele Netscapeler nehmen sich noch die zwei Wochen Jahresurlaub dazu und haben dann sechs Wochen frei, was für amerikanische Verhältnisse schier unglaublich ist. Da ich immer noch für AOL arbeite, bleibt's für mich bei zwei Wochen im Jahr -- zum Heulen!

Unser letztes Preisrätsel war wohl zu einfach für euch -- schon rund eineinhalb Stunden, nachdem die Email-Version des Rundbriefs draußen war, ging die erste richtige Antwort ein: Nach 3 Strikes ist der Hitter aus, jaja. Der gute Thomas Wiest aus Augsburg hat die CD gewonnen, die, wie gewünscht, mit Liedern bestückt wurde, die zur Hälfte Angelika und zur Hälfte ich ausgesucht hatten. Auch der liebe "Dr." Günter Speckhofer, aus Baden/Schweiz meinte, nur durch ein Unbill des Schicksals nicht gewonnen zu haben -- angeblich hatte sein Internet-Provider einen Störfall und deswegen konnte er die Email nicht rechtzeitig absenden. Um uns kostentreibende Gerichtsprozesse zu ersparen, bekam der Herr Doktor halt auch noch eine CD, da sind wir nicht so. Dass aber ein gewisser Willi R. aus Erding bei München die Tatsache, dass ein Augsburger gewonnen hatte, mit "Hamma glei denkt, dass die Schwobmzipfel wieda zamhalten!" (O-Ton) kommentierte, fanden wir gar nicht lustig! Also, Sachen gibt's ... Und auch dieses Mal gibt's wieder was zu gewinnen: Die Frage lautet: Welches der abgedruckten Bilder (außer dem ersten) wurde sonst noch manipuliert? Wie immer gibt's zwei Preise: Einen für die schnellste Email, einen für den schnellsten Brief/Postkarte.

X-Games in San Francisco

Die Meisterschaften im Felsklettern, Snowboard, Skateboard, Rollerblade und Fahrrad fahren fanden heuer in San Francisco statt. Auf einer Veranstaltung, die "X-Games" genannt wird, fahren die Leute wie wild in sogenannten Half-Pipes hin und her. Das sind halbe, da oben offene Röhren mit etwa fünf Metern Durchmesser und zehn Meter Länge, in denen sich's auf der einen Seite runter- und auf der anderen wieder hochbrausen lässt. Die Fahrradl-, Rollschuh- und Skateboardfahrer zeigen dabei allerhand Kunststücke, überschlagen und drehen sich, schlittern auf den Kanten entlang, schießen über den Rand hinaus und springen zwei, drei Meter in die Luft -- und, wer die besten Tricks auf Lager hat, gewinnt. Am Samstag ging ich mit einem Kumpel von AOL schon in der Frühe hin, und die Schlange am Eingang war ungefähr einen Kilometer lang, alles Leute in ihren Zwanzigern, wir waren glaube ich die Einzigen, die nicht eine Baseballkappe verkehrtherum aufhatten. Ich kam mir vor wie ein Opa, mit 34 ist man ja auch nicht mehr der Jüngste, öche, öche. Mit der mitgebrachten Kamera konnte ich einige Schnappschüsse machen: Bitte sehr, die Abbildungen 3 und 4 zeigen den herumwirbelnden Bike-Meister -- live bei den X-Games 1999! Once in a lifetime, Baby.

Abbildung [3]: Der Radler in der Half-Pipe

Abbildung [4]: Der hat nicht mal die Hände am Lenker!

Sonderangebote einkaufen

Ein Thema, das auch in Deutschland sicher bald aktuell wird, weil ja alles irgendwann rüberschwappt, sind die Geschäftsgebaren der hiesigen Händler. Alles muss immer billig sein, das ist ganz wichtig in Amerika. Während es in Deutschland etwas belächelt wird, wenn man für ein paar Mark Unterschied ein paar Läden abklappert, gilt hier jemand, der für etwas mehr zahlt als unbedingt notwendig, als verrückt. Auf einer Party darf man durchaus damit angeben, ein bestimmtes Produkt besonders billig erstanden zu haben. Dementsprechend werben die hiesigen Kaufhäuser auch für Angebote, z.B. Fernseher für 100 Dollar -- aber davon haben sie dann genau einen auf Lager. Kommt man in den Laden, ist der natürlich weg, aber der freundliche Verkäufer zeigt einem gerne das etwas bessere -- aber auch teurere -- Modell. Oder beim Autokauf: Der Händler wirbt mit einem supergünstigen Angebot: $9.995 für einen Kleinwagen. Was aber tatsächlich verfügbar ist, ist ein einziger Karren in einer völlig unmöglichen Farbe, den nur ein Verrückter kaufen würde. Ist man erstmal im Laden angelangt, und stellt fest, dass das Einzelexemplar entweder schon weg oder völlig abstoßend ausgestattet ist, findet sich sogleich ein Verkäufer, der einem die teureren Modelle zeigt. Da man 30km zu dem Laden hingefahren ist, schaut man sich das natürlich an, denn wenn man schon mal da ist ... so läuft es: Die Kunden werden mit Methoden, die in Deutschland wahrscheinlich illegal wären, in die Läden gelockt, und kaufen dann -- aus Frustration oder Langeweile -- doch Produkte, die keineswegs billiger als anderswo sind. Wir haben uns mittlerweile schon so an diesen Zirkus gewöhnt, ich glaube, ich wäre echt überrascht, in einen Laden zu kommen, in dem das ausgeschriebene Produkt auch tatsächlich soviel kostet wie angezeigt.

Autos mieten

Oder, wenn man ein Auto mieten will: In der Zeitung steht, dass das Mietauto pro Tag $19.95 kostet. Mann, das ist ja direkt billig, denkt man, und ruft bei der angegebenen Nummer an, aber, wenn man dann die Telefonzentrale, in der meistens Leute aus Teilen der USA sitzen, in die sich sonst niemand hin verirrt (Iowa zum Beispiel), und die einen fürchterlichen Dialekt sprechen, kann es sein, dass man erfährt, dass das Angebot nur in Florida gilt, oder nur, falls man das Auto von einem bestimmten Flughafen abholt. Sagt man erst gar nicht, dass man das Angebot in einer Zeitung gelesen hat, kriegt man ganz andere Preise genannt: $34.95 sind üblich. Gibt man aber den sogenannten Ad-Code (den in der Anzeige (Advertisement) abgedruckten Code, so etwas wie "Q-95" oder "ZX") finden die Leute am Computer plötzlich den billigeren Preis. Gleich darauf kriegt man mitgeteilt, dass das Auto für diesen Preis freilich nur ein "Economy Car" sei, also so etwas wie ein Golf, man solle doch lieber das "Full Size Car" nehmen, mit mehr PS und größerem Innenraum. Ist man schlau, bleibt man bei der kleinen Kiste, kriegt seine Reservierungsnummer und darf am vereinbarten Termin bei der Autovermietungsfirma vorbeischauen. Dort geht der Reigen von vorne los: Die beste Meldung, die ich je gehört habe, stammte von einem Verkäufer der Firma Alamo, der mir klarmachen wollte, dass das von mir bestellte Auto nur einen Motor mit drei Zylindern besäße und wir damit unmöglich die von uns geplanten hügeligen Strecken überwinden könnten -- worauf ich erwiderte, dass das schon in Ordnung wäre, solange noch alle drei Zylinder liefen. Das fand der Herr allerdings nicht so komisch, denn schließlich werden die Leute in den Autovermietungen für sogenannte Up-Sales bezahlt, d.h. wenn der Kunde mit dem von ihm bestellten Auto vom Parkplatz fährt, anstatt auf ein größeres -- natürlich gegen Aufpreis -- umzusteigen, lief etwas falsch und der Manager steigt dem Verkäufer aufs Dach, falls das öfter vorkommt. Lustigerweise kriegt der, der stur bleibt und auf seinem kleinen Auto besteht, dann meistens doch ein großes, und zwar ohne Aufpreis, da die Autovermietungen meist gar keine kleinen Wägen auf Lager haben, da sich fast jeder ein größeres aufschwatzen lässt. Als wir noch kein eigenes Auto hatten und alle paar Wochen einen Mietwagen besorgten, konnten wir regelmäßig deutschen Touristen zusehen, die nach Strich und Faden abgezockt wurden.

Einkaufen bei Fry's

Eine Art Hassliebe verbindet mich mittlerweile mit dem Computersupermarkt "Fry's Electronics". Das ist eine Kette von Läden, die auf fußballfeldgroßen Verkaufsflächen Computersachen anbieten und im "San Jose Mercury", der Zeitung im Silicon-Valley regelmäßig sechsseitige farbige Anzeigen schalten. Auf der einen Seite sind sie ziemlich billig, auf der anderen weiß aber jeder, dass sie mit dubiosen Geschäftspraktiken arbeiten, und z.B. zurückgegebene Waren wieder in die Original-Plastikfolie einschweißen und als neu verkaufen, und dergleichen Scherze mehr. Die Preisgestaltung ist ebenfalls dubios, und so zeigen die Preisschilder an den Regalen öfter mal einen viel niedrigeren Preis an, als den, den dann der Kassierer von einem verlangt. So stand auch ich an der Kasse und sollte plötzlich 30 Dollar mehr für eine 200-Dollar-Festplatte zahlen. Ich führte mich natürlich auf wie Rotz und Feuer, das dürfte klar sein. Schließlich kam der Manager an und sagte, wenn ich darauf bestünde, würde mich ein Angestellter zum Regal begleiten, um mir das Preisschild dort zu zeigen -- und ich sagte, genau das wolle ich. Ein Fry's-Scherge begleitete mich dann durch den ganzen Laden zurück zum Regal, in dem ich die Festplatte gefunden hatte, zeigte mir das Preisschild, und, siehe da, da stand unter dem riesengroß geschriebenen billigeren Preis ein Haufen Kleingedrucktes. Nachdem ich bis auf 50cm an das Schild herangetreten war, konnte ich lesen, dass sich der günstigere Preis abzüglich eines Mail-In-Rabattes verstand, man musste also, wie in einem früheren Rundbrief schon mal erläutert, an der Kasse mehr zahlen, und anschließend bei der Firma einen Coupon einschicken, die einem dann einen Scheck über $30 per Post zuschickte. Das war mir natürlich richtig peinlich, also entschuldigte ich mich tausendfach, ging mit dem Kerl wieder zur Kasse zurück und kaufte das Teil zum höheren Preis. Damals hatten wir noch kein Auto, ich war mit dem Fahrrad und dem Zug nach der Arbeit zum Fry's nach Palo Alto gefahren. Heimgekommen, machte ich die Packung auf und musste mit Entsetzen feststellen, dass kein Coupon für den Mail-In-Rabatt beilag. Oh Jammer oh Not! Ich war daraufhin eine ganze Zeit lang nicht mehr bei Fry's, hatte diesen Vorfall schon vergessen, da ergab es sich, dass ich, als wir einmal bei unseren Freunden Syllus und Richard in Portland zu Besuch waren, bei einer Fry's-Filiale vorbeischaute. Ich sah dort, dass die Mail-In-Coupons von den Angestellten an Käufer ausgehändigt wurden. Ich wartete, bis ein Verkäufer seinen Stand verlassen hatte und schnappte mir einen Coupon. Leider waren seit meinem Kauf ein paar Monate vergangen und der neue Coupon war nur für Käufe im aktuellen Monat gültig. Mit dem Coupon musste man eine Kopie der Ladenrechnung einschicken, also machte ich eine betont schlechte Kopie, auf der man das Datum nicht gescheit erkennen konnte, schickte den Krempel ein -- und, siehe da: Nach sechs Wochen kam der Scheck. Mein Siegesgebrüll konnte man bis Palo Alto hören.

Teppichreiniger

Noch ein G'schichterl hab ich: Als ich vor ca. zweieinhalb Jahren unsere jetzige Wohnung in San Francisco bezog -- Angelika weilte noch in Deutschland -- müffelte es in den Räumen ein wenig, später haben wir von unseren Nachbarn herausgefunden, dass unser Vormieter Katzen hatte, die wohl auf den Teppich gepinkelt hatten. Nachdem ich den Mietvertrag unterschrieben hatte, fragte ich den Maklermenschen, ob ich denn eine Teppichreinigungsfirma kommen lassen könne, und er sagte ja, da habe er doch glatt in der Zeitung gelesen, dass die Firma Sears (eine große Kaufhauskette in den USA, wie etwa Karstadt in Deutschland) gerade eine Anzeige laufen habe, dass sie jede Wohnung für $19.95 reinigten. Ich rief dort an, vereinbarte einen Termin, der Teppichmann kam, sah sich in der Wohnung um, verzog das Gesicht und sagte in vollem Ernst, dass wir einen außergewöhnlichen Teppich, einen "Berber-Teppich", hätten, der eine Sonderbehandlung erforderlich mache, für $19.95 sei das nicht drin. Dazu muss man sagen, dass unser Teppich wohl der durchschnittlichste Teppich von ganz Amerika ist. Ich war kein Fachmann auf dem Gebiet, neu im Land, und obendrein relativ gelassen, da ja der Vermieter versprochen hatte, die Kosten zu übernehmen. Der Teppichmann stellte noch einige Fragen, ob ich die Teppiche super-tiefengereinigt und spezialparfümiert haben wolle, und ich sagte: "Ja, ja, ja, alles will ich haben, die volle Ladung!". Die Rechnung belief sich dann auf ungefähr 120 Dollar -- was haben wir gelacht! Und der Maklermensch zahlte auch alles. Aber halt, die Geschichte geht noch weiter, ungefähr ein Jahr später bekamen wir einen Brief von einem Rechtsanwalt, dem es anscheinend ähnlich ergangen war, der hatte die Firma Sears wegen dieser Geschäftspraktiken verklagt, vor Gericht gewonnen, und legte seinem Brief ein Formular bei, das man nur auszufüllen brauchte und daraufhin einen Anteil an der hohen Entschädigungssumme bekam, die Sears zahlen musste. Alles ist halt doch nicht erlaubt, auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht.

Feuerwehrmann Angelika

Angelika hat ja ihren Erdbebenkurs bei der Feuerwehr erfolgreich abgeschlossen und -- wie ein verantwortungsbewusster Feuerwehrmann -- gleich alles in die Praxis umgesetzt und zwei Erdbeben-Böxle (O-Ton Angelika) gepackt und alte Schuhe (im Schlaf überrascht, muss man schnell Schuhe anziehen, damit man durch Glasscherben laufen kann), Wasser für drei Tage, ein bisserl was zu essen, Kleidung und Notschlafsäcke aus Alufolie hineingetan. Falls es kein Erdbeben gibt, sind die Boxen auch für die Jahrtausendwende gut, denn viele Leute befürchten, dass der Strom oder das Wasser oder, noch schlimmer, mein Internetanschluss ausfallen könnte -- oder gleich alles zusammen, weil alles von Computern gesteuert wird und diese bekanntlich wegen potentieller Programmierfehler Schwierigkeiten haben könnten, heil rüber ins neue Jahrtausend zu kommen. Year-2000 oder Y2K-Fehler, sagen die Fachleute. Ein Arbeitskollege hat mir erzählt, dass er sich fassweise Mineralwasser gekauft hat -- samt einer Pistole, um seine Vorräte notfalls zu verteidigen.

Angelikas Fotokunst

Angelika hängt Tag und Nacht in der Dunkelkammer des Fotolabors herum und fröhnt ihrem Hobby. Die Dame hat schon mehrere Phasen ihrer Fotokarriere hinter sich: Zuerst fotografierte sie die Kinder im Tenderloin-Kindergarten, dann folgte die von mir so genannte Gemüse-Periode: Stilleben von Rettichen, Blumenkohl und ähnlichem, arrangiert in stundenlangen Sitzungen mit wechselnden Lichtverhältnissen, aufgenommen nach den neuesten Erkenntnissen der Fototechnik -- mehr kann ich leider nicht dazu sagen, ich bin ja nur ein dummer Software-Ingenieur. Dann folgten, für einen Kurs, Menschen in der Stadt, was ja in San Francisco sehr aufregend ist, da wirklich alle Hautfarben vertreten sind. Zur Zeit sind's wieder arrangierte Bilder, der neueste Schrei sind Kompositionen mit Eiern und Bleistiften. Ich mag ja immer noch die Bilder vom Kindergarten, aber die Frau Künstlerin wird fuchsteufelswild, wenn man sie auf die überwundenen Phasen ihrer Karriere anspricht. Demnächst werden ihre Werke in den Hallen der Uni ausgestellt, da ist sie schon ganz aufgeregt und ich muss zur Eröffnung mit, eieiei ... Drei Bilder aus ihrem Opus lege ich bei: Zwei Racker vom Kindergarten, das Stilleben von Bleistiften mit Ei und ein Selbsportrait -- durch Drucker und Kopierer gejagt natürlich nicht, wie die Frau Künstlerin betont, zu vergleichen mit den Originalen, aber immerhin!

Abbildung [5]: Angelika: Die Kinder vom Tenderloin

Abbildung [6]: Angelika: "Bleistifte mit Ei"

Abbildung [7]: Angelika: "Selbstportrait"

Der neue Austin-Powers-Film "The Spy Who Shagged Me" (die deutsche Übersetzung wird bestimmt spannend) ist draußen und Angelika und ich haben ihn an einem Wochenende in einem Kino in Japantown gesehen, was haben wir gelacht, und danach haben wir uns mal wieder japanische Suppen mit Udon-Nudeln reingezogen, schmackofatz! Der Film ist voller Anspielungen auf die amerikanische Gesellschaft, so ist das Zentrum des Bösen im Film die Zentrale der von allen San-Franciscoianern gehassten Kaffeehauskette "Starbucks", die aus Seattle stammt, der Stadt, die keiner aus San Francisco ausstehen kann. Die schiefen Zähne des Superhelden sind übrigens eine Anspielung auf Europa: Austin Powers ist ja Engländer und spricht mit britischem Akzent, und im Gegensatz zu Amerika, wo jedes Kind eine Zahnspange trägt, wird in Europa auch ein wenig Wildwuchs geduldet, worüber sich die Amerikaner gerne lustig machen. Auch in den Sprachalltag sind einige Dialoge aus dem Film bereits eingeflossen: Will man, dass jemand ruhig ist, versucht man's erst mit schhhh! und dann mit "double-u-double-u-double-u-dot-schhhh!-dot-com" (www.schhhh!.com)! Sehr guter Film, ein Muss! -- Oder wie die Werbung für den Film vorschlägt: "Falls Sie diesen Sommer nur einen Film sehen -- schau'n Sie sich 'Krieg der Sterne' an. Falls Sie sich zu zweien aufraffen: Gehen Sie auch noch in 'The Spy Who Shagged Me'. Bescheidener geht's nicht.

Abbildung [8]: Austin Powers -- Der neue Kinoheld

Perl Power

Mein Buch "Perl Power", das ja seit Januar in den Buchhandlungen englischsprachiger Länder lungert, erfreut sich steigender Beliebtheit. Immer öfter kommen Leute bei Netscape an meinem Cubicle vorbei und wollen, dass ich ihre Ausgabe signiere, was ich natürlich gerne mache. Wann immer wir bei unseren Wochenendausflügen an einem Buchladen vorbeikommen, muss ich natürlich reinschauen -- und nachsehen, ob sie "Perl Power" auch haben. Meistens stehen zwei, drei Exemplare irgendwo, die plaziere ich, wenn keiner herschaut, immer schnell in den "Angebot der Woche"-Regalen. Wenn man sich nicht um alles selber kümmert ... Neulich bekam ich, ohne Schmarrn, eine E-Mail von einem Herrn McKenzie aus Reykjavik/Island, der sich darüber beklagte, dass eines der im Buch abgedruckten Programme bei ihm nicht funktionierte. Wahrscheinlich ein Stromausfall im Iglu ... nein, er hatte nur ein Modul nicht richtig installiert.

Der Bike-Nazi

Auch ins Netscape-Büro nach Mountain View fahre ich gerne mit dem Fahrrad und dem Zug, da kann ich auf dem Hin- und Rückweg jeweils eine Stunde lang die ganzen Computerhefte und -bücher lesen, die sich zu Hause stapeln. Außerdem gibt's auf der Fahrt mit dem Zug immer was zu lachen. Wie ich schon mal geschrieben habe, kann jeder Zug 24 Fahrräder befördern, und die Schaffner achten normalerweise gewissenhaft darauf, dass nicht mehr reinkommen, bei jeder Haltestelle rennen sie ins sogenannte Bike-Car und stellen sich an der Tür auf, um hereindrängende Fahrradfahrer zurückzuweisen, falls der Wagen schon voll ist. Manche Schaffner, und das sind die Lieblinge der Fahrradfahrer, die wie Helden gefeiert werden, scheuen allerdings die Konfrontation und lassen sich einfach nie im Bike-Car blicken, wenn der Zug hält, was zur Folge hat, dass an jeder Station neue Radler an Bord kommen -- einmal habe ich's erlebt, dass 35 Fahrräder drin waren, da konnte man dann kaum noch atmen, aber immer wenn so etwas passiert, ist Super-Stimmung im Bike-Car, denn die Fahrradler in San Francisco und Silicon Valley sind eine unterdrückte Minderheit, und da stellt sich dann ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl ein. Da werden Geschichten darüber erzählt, wer die spektakulärsten Unfälle hatte und wie doof die Autofahrer sind. Ein Schaffner allerdings -- er wird von den Radlern "Bike-Nazi" genannt -- nimmt's besonders genau und achtet peinlich darauf, dass jeder sein Fahrrad in genau den Ständer stellt, den er ihm zuweist. Der Bike-Nazi legt da irgendwelche obskuren Berechnungen zugrunde, nachdem es günstiger ist, wenn der, der zuerst aussteigt, sein Fahrrad ganz vorne hat. Ich lache dann immer in mich hinein und sage nichts, aber neulich ging einem Fahrgast die Sicherung durch und er beschimpfte den Bike-Nazi wüst. Er, der Schaffner, sei der Einzige, der diesen "Shit" mache, und er würde sich beschweren, er werde schon sehen, wenn er bald seinen "pink slip" (Kündigungsschreiben) in Händen halte. Ich musste schmunzeln, als ich in meinem Buch weiterlas. Auch gibt es in San Francisco bestimmte Routen für Fahrradfahrer, über die man von A nach B kommt, ohne einen der kraftraubenden Hügel überqueren zu müssen. Die Strecken erhalten dann lustige Namen, die nur die Radfahrer kennen, und die in mündlicher Tradition von Biker zu Biker weitergegeben werden. Der Duboce-Shuffle zum Beispiel, eine verzwickte Route von der Market Street zum Golden-Gate-Park -- ohne viel Autoverkehr und fast ohne Hügel. Oder der "John-Benton-Overpath", von der Bahnstation an der 22sten Straße nach Noe Valley, wo wir wohnen. Ausgedacht hat sich die Strecke ein Herr namens John Benton, ein Caltrain-Biker, den ich die Ehre habe, persönlich zu kennen. Euer Michael -- "Man of the people, friend to the stars!".

So, schon sind wir am Ende angelangt, die Frau Fotografin hat versprochen, nächstes Mal auch wieder was Geschriebenes zu liefern -- denkt daran, dass es auch diesmal wieder was zu gewinnen gibt: Welches außer dem ersten abgedruckten Bild wurde noch digital verändert, ist also eine plumpe Fälschung? Die erste richtige Email und der erste Brief, der über den normalen Postweg eingeht, gewinnt den exklusiven Preis: Jeweils ein handentwickeltes Original (auf Wunsch handsigniert) der Künstlerin, im Format 25cm x 20cm. Macht jede Studentenbude zum Intellektuellen-Loft. Bis die Tage! Michael und Angelika

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Letzte Änderung: 26-Nov-2012