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Angelika/Mike Schilli |
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Hallo, ihr Lieben!
(Angelika) Nachdem ich aus meiner Dunkelkammer (mein Fotokurs ist nämlich beendet) hervorgekrochen bin, sollt ihr endlich wieder etwas von mir hören. Wie Michael ja schon in seinem letzten Rundbrief berichtet hat, hat mich der Fotokurs so begeistert, dass ich Stunden in der Dunkelkammer zugebracht habe und für nichts anderes mehr Zeit hatte. Natürlich habe ich mich gleich zu einem Folgekurs angemeldet. Im jetzt kommenden Semester belege ich dann auch noch zwei weitere Kurse im Rahmen meines Zertifikatprogramms "Children and the Changing Family". Diese Kurse sind Pflichtkurse; sollte ich diese erfolgreich abschließen, habe ich mein Zertifikat in der Tasche. Hurra!!!
Witzig war auch, dass jeder der "Volunteers" ("freiwilligen Helfer") auch eine Urkunde erhalten hat (wir hatten allerdings keine Roben an). Chris (ebenfalls Volunteer) und ich sind die "Volunteers des Jahres" geworden wegen besonderem Einsatz und Engagement für die Einrichtung. Wir haben beide einen Büchergeschenkgutschein erhalten und sind bei der Feier besonders hervorgehoben worden, was mich ehrlich gesagt schon sehr gefreut hat. Vielleicht ist an solchen Feiern ja doch etwas dran. Ich arbeite übrigens auch weiterhin mit den älteren Kindern (im Schnitt 4-5 Jahre) im selben Gruppenraum. Die meisten Kinder kenne ich auch schon, weil sie einfach aus der Nachbargruppe aufgerückt sind. Auch die Erzieherteams sind aus verschiedenen Gründen neu zusammengesetzt worden. Brea, mit der ich mich besonders gut verstehe, ist aber erfreulicherweise auch weiterhin in der Gruppe, in die ich zum Volunteeren komme.
Vorletztes Wochenende war hier einmal wieder ein Feiertag, der sogenannte "Labor Day" ("Tag der Arbeit"), an dem auch Michael frei hatte. Und so haben wir uns gleich ein Auto gemietet, um das verlängerte Wochenende zu nutzen. Wir sind an die "Lost Coast" ("Verlorene Küste") gefahren. Wie der Name schon verrät, ist dies nicht gerade der Küstenabschnitt, an dem sich die Menschenmassen tummeln und genau deshalb sind wir dort hingefahren. Die "Lost Coast" liegt hoch im Norden Kaliforniens. Genau dort nämlich, wo man anno dazumal den Highway 1 (Küstentraumstraße) nicht weiterbauen konnte, weil dieses Gelände zu unwegsam war und die Wetterbedingungen zu rauh. Zum Glück gab es später dann, als technisch dem Bau der Straße nichts mehr im Wege gestanden hätte, schon die Naturschützer, die dies zu verhindern wussten. Der einzige größere Ort an diesem Küstenabschnitt mit dem Namen "Shelter Cove" ist nur über eine 25 Meilen lange äußerst kurvige (es geht nämlich über die Berge) Straße mit ziemlich vielen Schlaglöchern zu erreichen, für die man ungefähr eine gute Stunde braucht (Turbofahrer und Bergschrat Michael schaffte es natürlich etwas schneller). Angekommen in Shelter Cove fühlt man sich gleich wie in einer ganz anderen, sehr unamerikanischen Welt: Kein McDonalds, keine Bank, keine Tankstelle, die Einwohner mit ihrer sonnengegerbten Haut sehen allesamt aus wie Seebären und man hat den Eindruck, jeder trifft sich abends in der einzigen Kneipe des Ortes, wo sich keiner darum schert, dass seit Anfang des Jahres in Kalifornien das Rauchen auch in Kneipen verboten ist. Wie gesagt, wir befinden uns am Ende der Welt, da gelten ganz eigene Gesetze (Günter, für dich alten Raucher wäre das das Paradies gewesen). Vor der Kneipe nehmen die Fischer die frischgefangenen Fische aus und über ihnen kreisen die Möwen und machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Um einen herum tobt der Ozean, so weit das Auge reicht, Klippen und Strand mit schwarzem Sand, was ziemlich einzigartig für Kalifornien ist und dazu geführt hat, dass ich mich das ganze Wochenende mit der Frage gequält habe, wieso der Sand plötzlich schwarz wird, eine dieser Fragen, die man sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch angehen kann. Nun, ich habe diese Frage nicht befriedigend beantworten können, aber ihr seht schon, die Landschaft lud zum stundenlangen auf-das Meer-schauen und seinen-Gedanken-nachhängen ein.
Es wäre also alles ganz wunderbar gewesen, hätten uns nicht gleich die Tücken der Zivilisation am Ankunftstag eingeholt. Unser Mietauto hatte nämlich einen platten Reifen, es steckte ein Nagel in ihm und es zischte ganz fürchterlich und in "nullkommanix" war der Reifen platt. Nun ist natürlich klar, dass einem ein solches Missgeschick nur passiert, wenn man sich am Ende der Welt ohne Tankstelle und Autowerkstatt befindet, ein hochheiliger Feiertag in Amerika ist, an dem selbst in Amerika vieles geschlossen ist und die Autoversicherung Schäden an Reifen nicht bezahlt. Zum Glück hatte aber Ed's Gas Station (es lebe die amerikanische Dienstleistungsgesellschaft) ein Einsehen mit uns. Nachdem wir den Ersatzreifen aufgezogen hatten, ein Not-Rad, das viel kleiner als der eigentliche Reifen war, und wieder die 25 Meilen über den Hügel zum nächstgrößeren Ort gefahren waren (diesmal langsam und gesittet), flickte Ed höchstpersönlich den Reifen. Ed hätte auch als Ganove in einem John Wayne Western mitspielen können, die Zigarette (man erinnere sich, wir befinden uns an einer Tankstelle, an der Rauchen wegen der Explosionsgefahr eigentlich strengstens verboten ist!) lässig im Mundwinkel reparierte er in Windeseile den Reifen und nahm für den ganzen Spaß nur 12 Dollar (sicher schwarz) und rettete damit unser Wochenende.
Nächstes Wochenende gehen wir dann schon wieder auf die Reise. Michael konnte von seinem 14-tägigen Jahresurlaub endlich eine Woche (ihr erinnert euch, er hatte Urlaubsstop wegen eines Projektes) nehmen und wir machen uns auf den Weg nach Hawaii. Dieses Mal fahren wir auf die Insel "Molokai", die am wenigsten touristisch und am ursprünglichsten sein soll. Wir werden dann im nächsten Rundbrief berichten, wie es war.
Übrigens hatte ich neulich das absolute Seinfeld-Erlebnis (wer nichts mehr mit dem Stichwort "Seinfeld" anfangen kann, schaue einfach in meinem letzten Rundbrief nach). Damit ihr den Gag versteht, muss ich aber etwas weiter ausholen. Zunächst muss man wissen, dass es in Amerika unendlich viele sogenannte Nail Shops (Nagelstudios) gibt, in denen man sich seine Hände und Füße pflegen lassen kann. Natürlich lässt man sich dabei auch die Finger- und Fußnägel mit Nagellack anmalen. In unserer Nachbarschaft gibt es allein vier bis fünf solcher Nail Shops. Wenn wir an diesen vorbeilaufen, bricht Michael jedes Mal vor Lachen zusammen, weil die Leute, die sich die Nägel lackieren lassen, echt wie im Schaufenster sitzen, das heißt jeder, der an dem Geschäft vorbeiläuft, kann auf die wohlgeformten oder auch weniger wohlgeformten Füße und Hände der Kunden gucken. Hierzu sei noch angemerkt, dass es in Amerika völlig okay ist, sich in aller Öffentlichkeit die Nägel zu säubern oder zu schneiden. So sieht man des öfteren Leute in der U-Bahn, die in aller Ruhe ihre Nägel bearbeiten. Auf jeden Fall ärgert mich Michael schon seit Monaten damit, dass ich mir doch auch endlich mal die Fingernägel in solch einem Shop rot lackieren lassen könnte. Er würde dann auch mit dem Fotoapparat vorbeischauen und ein Foto von mir im Schaufenster machen. Nun muss man weiter wissen, dass die meisten dieser besagten Nail Shops von Asiatinnen geführt werden. Genau darum geht es auch in dem erwähnten Seinfeld. Elaine geht zur Maniküre immer in einen von Koreanerinnen geleiteten Nail Shop und hat dabei das Gefühl, dass diese in koreanisch über sie lästern, was sie natürlich nicht versteht. Um sich Klarheit darüber zu verschaffen, nimmt sie das nächste Mal Georges Vater sozusagen als Spitzel mit zur Maniküre, der spricht und versteht nämlich koreanisch als alter Koreakrieg-Veteran. Es stellt sich natürlich heraus, dass tatsächlich über sie gelästert wird. Nun waren meine Freundin Sylvia und ich neulich auch in solch einem besagten Nail Shop und auch uns beschlich plötzlich diese merkwürdige Gefühl, dass heftigst über uns hergezogen wird. Die Damen, die unsere Füße und Hände bearbeiten, warfen sich nämlich munter Bemerkungen zu und rollten dabei auch noch ziemlich häufig mit den Augen in unsere Richtung. Trotz dieser Lästerei bin ich schließlich mit rot lackierten Fingernägeln und lila Fußnägeln nach Hause gekommen. Michaels entsetztes Gesicht war mir diesen Spaß echt wert. Aber keine Angst, sonst bin ich noch ganz die Alte.
Vor einigen Wochen hat uns auch einmal wieder ein Erdbeben der Stärke 5.4 ganz unsanft geweckt. Ich sage euch, es hat ganz schön gewackelt. Das Epizentrum war aber Gott sei Dank ziemlich weit im Inland, so dass es keine Schäden gegeben hat. Das Problem war nur, dass die Erdbebenkarte, die Michael immer sofort per Computer aufrufen kann, das Erdbeben nicht anzeigte und Michael nun steif und fest behauptete, dass es auch kein Erdbeben gegeben hätte. Schließlich irrt sich sein Computer nicht! Michael ließ sich von seiner Meinung auch nicht dadurch abbringen, dass unser Freund Günter, der zu dieser Zeit gerade aus der Schweiz zu Besuch war, und ich das Erdbeben ganz deutlich gespürt hatten. Später stellte sich zu Günters und meiner Ehrenrettung heraus, dass die Karte nur deshalb das Erdbeben nicht verzeichnete, weil die Karte nicht ausreichte. Die Karte zeigt nämlich nur die nähere Umgebung, und das Epizentrum war, wie gesagt, viel weiter im Landesinneren. Günter war natürlich tief beglückt, welche Abenteuer wir unserem Besuch bieten. Nur hat es ihn etwas geschmerzt, dass wir gerade 2 Tage vorher im Museum waren, in dem gerade eine Erdbebenausstellung läuft, in der extra ein neuer Raum gebaut wurde, in dem man sich auf eine Platte stellen kann und in dem dann durch das Bewegen dieser Platte die Stärke des Erdbebens von 1989 simuliert wird. Er meinte, dass er sich den Museumseintritt wirklich hätte sparen können.
Viele von euch fragen immer wieder an, wann wir denn endlich einmal wieder auf Deutschlandbesuch kommen. Ich habe einen Besuch fest für Anfang 1999 eingeplant. Michael wird mich aber leider nicht begleiten können (ihr wisst ja nur 14 Tage Urlaub, da wird man geizig). So, nun will Michael auch noch was schreiben.....
Halöle! Als wir neulich nachts in der Stadt ein Taxi anhielten, um nach Hause zu fahren, kamen wir mit dem Fahrer ins Gespräch, einem "Langhoaraden", der gleich erkannte, dass wir miteinander deutsch sprachen und uns daraufhin erzählte, dass er ein paar Jahre in Deutschland bei der US-Army stationiert war. Nun ist das nichts Ungewöhnliches -- man findet hier einen Haufen Amerikaner, die irgendwann in der Army waren, und viele davon waren irgendwann in Deutschland. Trotzdem es keine Wehrpflicht gibt, die Armee also aus lauter Berufssoldaten besteht, hat sie keinen Nachwuchsmangel, da sie für viele arbeitslose Jugendliche der letzte rettende Grashalm ist -- die lassen sich lieber vom Ausbilder schlauchen als auf der Straße betteln zu gehen -- mehr Alternativen gibt's mangels Sozialsystem leider nicht. Und gesellschaftlich angesehen ist das Ganze auch: Ich habe mich noch im Kino kugelig gelacht, als Michelle Pfeifer im Film "Dangerous Minds" an die Tafel einer undisziplinierten Klasse "I am a US Marine" schrieb und alles auf einmal ehrfürchtig erstummte, und auch "Top Gun" kann mir immer noch ein Kichern entreißen, aber hier ist es den Leuten wirklich ernst mit diesem Unsinn. Auch während des Golfkriegs hatte -- nach zuverlässigen Quellen -- jeder Vorstadtschnösel-Bungalow-Besitzer eine US-Fahne im Garten hängen. Aber ich schweife ab! Der Taxifahrer erzählte also seine Erlebnisse aus Deutschland, ja, im Schwabenland sei er stationiert gewesen, in Stuttgart, wo der Dialekt so fürchterlich sei, so sei er einst am Hauptbahnhof gewesen und eine Gleisänderung wurde durchgesagt: GLAIS OINZ! habe es geheißen auf GLAIS OINZ! führe der Zug ab, und er habe -- zwar des Deutschen einigermaßen mächtig, aber nicht des schwäbischen Dialekts -- einen Schaffner fragen müssen, was denn GLAIS OINZ! hieße. Immer wieder rief der Taxifahrer GLAIS OINZ! und wieder GLAIS OINZ! aus und wir haben uns gar nicht mehr eingekriegt auf dem Rücksitz. Er vergaß darüber völlig, die Uhr anzustellen, erst gegen Ende der Fahrt fiel es ihm ein, aber statt der angezeigten $5.00 habe ich ihm vor lauter Freude $15.00 gegeben.
Steinzeitmenschen weghören: Ich hab's endlich geschafft, mir eine eigene Domain auf dem Internet zuzulegen - unter http://perlmeister.com gibt's neben langweiligem Computer-Zeugs auch ein paar Seiten, die zeigen, wo wir wohnen, was wir so machen. Im Computer-Supermarkt Fry's habe ich für $59.95 einen Scanner gekauft, so kommen unsere Fotos in den Computer und auf die Seite - wenn ihr einen Computer mit Internetanschluss habt, schaut einfach mal vorbei ...Im Nagelsalon
Wieder mal ein Erdbeben
Schwaben in San Francisco
Vor einigen Wochen herrschte große Aufregung am Stinson Beach, ein paar Kilometer nördlich von San Francisco: An diesem beliebten Ausflugsziel wurde ein Wellen-Surfer von einem weißen Hai in den, ähem, Allerwertesten gebissen. Daraufhin erteilten die Behörden schnurstracks Bade- und Surfverbot, was zu scharfen Protesten seitens der Surfer führte, die ihr in der Verfassung verbrieftes Grundrecht eingeschränkt sahen -- als aber der Hai schließlich wochenlang ausblieb, kam das Verbotschild wieder weg und jetzt surfen sie wieder!
Bis demnächst!
Angelika und Michael
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