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  Rundbrief Nummer 50  
San Francisco, den 18.05.2004


Abbildung [1]: Die Imbisskette "Subway" hat ein neues "Atkins-friendly" Menü mit Salat

Angelika: Europäer lästern von je her über die dicken Amerikaner. Dass 2/3 der amerikanischen Bevölkerung sich mit Übergewicht durchs Leben quält und 1/3 davon im medizinischen Sinne als fettleibig gilt, ist auch hier in den USA kein Geheimnis.

Mittlerweile gibt es immer dickere Kinder, weil die Racker zu viel Fast Food essen und stundenlang vor dem Fernseher und Computer abhängen. Dass Kinder Altersdiabetes wegen schlechter Ernährungsgewohnheiten entwickeln, lässt sich fast schon als Trend bezeichnen. Verzweifelte Eltern versuchten deshalb zunächst, Mc Donald's zu verklagen, da die Fast-Food-Kette nicht eindeutig vor den Gesundsheitsrisiken ihrer Produktpalette warnt. Dieser typische amerikanische Weg, jeden vor Gericht zu ziehen, wirkt auf uns immer noch absurd.

Auch der Diätenwahn ist nicht neu. Jeder amerikanische Buchladen verfügt über eine ansehnliche Auswahl von Büchern, die helfen sollen, Pfunde zu reduzieren. Dann gibt es die diversen Talkshows, die dramatische Erfolgsgeschichten präsentieren: Menschen, die auf einmal dreimal in ihre alten Hosen passen, lächeln glücklich in die Kamera. Neuerdings findet man auch Unterhaltungssendungen, in denen gleich eine ganze Gruppe zusammen ihr Übergewicht bekämpft und dabei über Monate von Fernsehkameras begleitet wird.

Und an Theorien, warum Amerikaner immer mehr an Gewicht zulegen, mangelt es ebenfalls nicht. Es herrscht eine Vorliebe für große Portionen und Fastfood. Ungesundes Essen ist billiger als gesundes (was stimmt). Keine Zeit zum Kochen gesünderer Gerichte, mangelnde Bewegung, zu viel Fett im Essen, zu viel Kohlenhydrate. Und auf der Verpackung jedes Produkts stehen zwar Angaben über Kalorien, Kohlenhydrate etc. aufgedruckt -- aber diese beziehen sich immer auf eine sogenannte "Serviergröße" (service size), nicht auf die gesamte Packung. Wer dann die ganze Tüte Chips futtert, wundert sich warum er die zehnfache Kalorienmenge einwirft!

Die Angst vor dem hohen Fettgehalt in Lebensmitteln führte hier zum Boom der fettreduzierten Produkte. In jedem amerikanischen Supermarkt findet ihr fettarme Chips, Kekse und dergleichen. Es passiert mir hin- und wieder schon einmal, dass ich die falsche - fettreduzierte - Tüte greife. Ein Elend, denn das Zeug schmeckt einfach künstlich und endet bei uns meist in der Mülltonne. Mein Motto ist: Wenn schon Chips, dann auch die richtigen.

Abbildung [2]: Low-Carb-Kekse: 120 Kalorien, 9 Net Carbs pro "Serviergröße"

Aber die richtige Krise kriege ich immer vor dem Regal mit den Milchprodukten. Man braucht schon fast telepathische Fähigkeiten, um den Vollmilchjoghurt oder die Vollmilch zu finden. Es gibt in der Regel nur eine Sorte der "Vollfett-Variante". Alles andere ist fettreduziert (low-fat) oder fettfrei (non-fat). Nun weiß ich, dass dieser Trend mittlerweile auch Deutschland infiziert hat. Ich bete nur inständig, dass meine deutschen Lieblingschips verschont bleiben.

Seit einiger Zeit befindet sich Amerika in der zweiten Phase der Kampfes gegen das Übergewicht. Nicht mehr das "böse" Fett steht im Mittelpunkt der Debatten sondern die "gemeinen" Kohlenhydrate. Schuld daran ist der amerikanische Arzt Robert Atkins, der schon vor über 30 Jahren mit seiner kohlenhydrate-armen, aber fettreichen Diät die Ernährungswissenschaftler dieser Welt erschaudern ließ. Atkins geht davon aus, dass der Konsum von Kohlenhydraten die Insulinproduktion anregt, was nicht nur zu stärkeren Hungergefühlen aber auch zur Fetteinlagerung führen kann. Verzichtet man hingegen auf Brot, Nudeln, Reis und stark zuckerhaltige Getränke usw., verbrennt der Körper im Gegenzug Fett.

Kritiker der Atkins-Diät bestreiten das nicht unbedingt, stören sich aber an dem erlaubten Verzehr von Lebensmitteln mit starkem Fettanteil wegen des erhöhten Risikos für Herzerkrankungen. Tatsache ist aber, dass die meisten mit Hilfe von Atkins abnehmen. Viele Ernährungswissenschaftler führen die Gewichtsabnahme allerdings auf die reduzierte Kalorienzufuhr unter der Atkins-Diät zurück.

Wie dem auch sei: Seit 2-3 Jahren ist Atkins in aller Munde. Ich kenne einige Anhänger der Diät, was man immer daran merkt, dass bei diesen Leuten kein Brot auf den Teller kommt. Der Popularität dieser kohlehydrate-armen Ernährungsweise tat auch der mit bösen Gerüchten behaftete Tod von Robert Atkins im Jahr 2003 keinen Abbruch. Man munkelte, dass Atkins bei seinem Tod selber einige Pfündchen zu viel auf den Rippen hatte und als übergewichtig galt.

Auf jeden Fall wittern die pragmatischen amerikanischen Geschäftsleute klingelnde Kassen mit den Atkins-Fans. Mehrere Restaurant- und Fastfoodketten stellten sich bereits auf diese Kunden ein. So gibt es bei "Subway" and "TGI Friday's" ("Thank God it's Friday) Atkins-freundliche Menüs. Das New York Steak mit blauem Schimmelkäsekrümmeln wartet z.B. bei TGI Friday's mit nur schlappen 6 Kohlehydraten auf den Verzehr. Bei Burger King darf der Kunde von nun an auch fröhlich in den Hamburger ohne Hamburgerbrötchen beißen, den Hackfleischkloß mit Zutaten hält ein Salatblatt zusammen.

Abbildung [3]: Sogar Eis am Stiel gibt's als Low-Carb-Produkt mit Atkins-Stempel

Und selbst Hersteller diverser Schnäpse machen jetzt Werbung damit, dass ihre hochprozentigen Destillate keinerlei Kohlenhydrate enthalten! Darüber hinaus ziehen heimlich still und leise immer mehr Produkte mit reduziertem Kohlehydrate-Gehalt in die amerikanischen Supermärkte ein. Laut der Zeitschrift Consumer Reports gibt es mittlerweile 930 solcher Produkte auf dem amerikanischen Markt: Bier, Eis, Kekse, Kuchen - alles was das Herz begehrt. Die haben dann so nette Namen wie "Atkins Endulge" oder "Carb Smart". "Carb" bezieht sich dabei auf "carbohydrates" - der englische Ausdruck für Kohlenhydrate.

Selbst Coca-Cola kommt im Sommer mit einer neuen Cola auf den Markt, in der weniger Kohlenhydrate schlummern. Meist wird in den Produkten der Zucker durch Zuckeralkohole oder fermentierte Kohlenhydrate ersetzt, die angeblich die Insulinproduktion im Körper weniger ankurbeln als der reguläre Zucker. Die Packungen der "low-carb" (=wenig Kohlenhydrate) Produkte werben dann damit, wieviel Kohlenhydrate sich im Produkt verstecken, wobei im jetzigen amerikanischen Lebensmittelgesetz noch nicht definiert ist, was als niedrig anzusehen ist.

Überhaupt bedeuten wenig Kohlenhydrate im Produkt nicht unbedingt wenig Kalorien. Die Rechnung, dass es kein Problem ist, die kohlenhydrate-armen Kekse reinzuschlemmen, geht also nicht auf. Interessant finde ich an der ganzen Kohlehydrate-Geschichte, dass das Land wieder nach dem Motto "Ganz oder gar nicht" vorgeht. Da neigt der Herr Amerikaner doch immer etwas zum Extremen. Das begegnete uns schon bei dem Kampf mit den Rauchern in Kalifornien (mittlerweile darf nicht einmal mehr am Strand von Santa Monica geraucht werden). Und als er sich ersteinmal auf den Feind "Kohlenhydrate" eingeschossen hatte, gab's kein Halten mehr.

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