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  Rundbrief Nummer 36  
San Francisco, den 01.02.2002


Politisch Korrekt

Und noch eine uramerikanische Kontroverse spielte sich in der letzten Woche in New York ab. Dort trug man sich mit dem Gedanken, eine Bronzestatue zu Ehren der nach dem Anschlag auf das World Trade Center im Einsatz umgekommenen Feuerwehrleute zu errichten. Man entschloß sich, die drei Feuerwehrmänner, die kurz nach dem Anschlag eine riesige amerikanische Flagge aufzogen, als Vorbild für die Bronzefiguren (einschließlich der Fahne) zu nehmen. Das Problem war nun, dass die realen drei Feuerwehrmänner alle weiß waren. Dies empfand man als politisch nicht korrekt ("politically incorrect") und -- schwups -- entschied man sich einfach dazu, einen weißen, einen schwarzen und einen lateinamerikanischen Feuerwehrmann darzustellen. Prompt protestierten die Feuerwehrmänner in New York, dass dies die wahre Begebenheit völlig verdrehe. Andere konterten, dass es nicht um die Abbildung der Wirklichkeit gehe sondern um den Symbolgehalt. Fakt ist, dass sich fast das gesamte Korps der Feuerwehr in New York aus Weißen zusammensetzt, was wiederum erstaunt, weil in New York bekanntlich alle Hautfarben vertreten sind. Jedenfalls legte man das Projekt zunächst auf Eis. Der Künstler denkt nun über andere Gestaltungsmöglichkeiten nach.

Sich politisch korrekt zu verhalten, gehört besonders in San Francisco zum guten Ton; manchmal treibt das Ganze allerdings die ein oder andere Stilblüte. Aber prinzipell ist es ja eine gute Sache, sich nicht wie ein unsensibles Trampeltier aufzuführen und z.B. seine Worte überlegt zu wählen. Und damit ihr bei eurem nächsten Amerikabesuch gewappnet seid, hier schnell ein "Crash-Kurs": Schwarze Amerikaner bezeichnet man als "African American". Man sollte tunlichst vermeiden, die Bezeichnungen, die Schwarze untereinander verwenden, zu benutzen, wenn man selber eine andere Hautfarbe hat, denn dies können durchaus die übelsten Schimpfwörter sein.

Ein Indianer ist nicht etwa ein "Indian" sondern ein "Native American". Das Wort "Indian" charakterisiert heutzutage eine Person, die aus Indien stammt. Asiaten als "Oriental" zu bezeichnen, handelt einem viele böse Blicke ein, "Asian-American" heißt es. Überhaupt ist Vorsicht angebracht: Nicht jeder asiatisch aussehende Mensch stammt aus China, also lieber die umfassendere Kategorie "Asian American" wählen.

Menschen aus Lateinamerika bezeichnet man hier entweder als "Latinos" oder "Hispanics", wobei es endlose Diskussionen darüber gibt, welcher Ausdruck der bessere ist. Das fängt schon mit der Definition von Lateinamerika an: Welche Länder gehören dazu, welche nicht? Viele stört, dass der Begriff "Hispanic" zu sehr die spanischen Wurzeln betont, denn Spanien dominierte und unterdrückte schließlich Lateinamerika. Andere finden, dass beide Begriffe stark verallgemeinern, so wollen viele Mexikaner, die hier leben, z.B. lieber "Mexican American" o.ä. genannt werden. Kurz gesagt, zur Zeit liegt man weder mit "Latino" noch mit "Hispanic" total daneben.

Füllt man in Amerika offizielle Formulare aus, stößt man in der Regel auf das Phänomen, seine ethnische Zugehörigkeit ankreuzen zu müssen. Das ist für mich immer noch befremdlich und so gar nicht politisch korrekt. Ich weiß noch, als ich das erste Mal auf den Begriff "Caucasian" stieß und absolut nichts damit anzufangen wusste. Vor lauter Verzweifelung kreuzte ich die Kategorie "Other" ("andere") an und schrieb auf die entsprechende Linie "white" ("weiß"), was sich später als überflüssig herausstellte, denn "caucasian" meint genau das. Die Kategorie "Other" fehlt jetzt übrigens auf keinem Formular mehr, da viele die Zuordnung zu einer bestimmten ethnischen Gruppe und/oder Terminologie für schwierig halten.

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