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Rundbrief
  Rundbrief Nummer 109  
San Francisco, den 21.12.2014
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Abbildung [1]: Ein Einbrecher schleppt das eben gestohlene Fahrrad aus der Tiefgarage, gefilmt von einer Überwachungskamera.

Michael In letzter Zeit mehren sich die Einbrüche in unserer Gegend, wie man im Internet hautnah auf Nextdoor (Rundbrief 09/2014) erfährt. Vor einem guten halben Jahr hat's auch uns erwischt, denn da hatte jemand das Schloss unserer Parkgarage aufgeknackt und mein Fahrrad entwendet. Da ich schon wusste, dass sich nachts allerhand zwielichtige Gestalten herumtreiben, hatte ich es nicht nur mit einem dicken Metallbügelschloss abgesperrt, sondern letzteres auch noch mit einem Stahlkabel an einem Wasserrohr angekettet.

Allerdings hatte der Einbrecher wohl einen Bolzenschneider dabei, denn als Angelika in der Frühe mit dem Auto wegfuhr, bemerkte sie, dass das Kabel durchgezwickt und das Fahrrad weg war. Nun denn, das Fahrrad hatte ich vor 16 Jahren zum Schlagerpreis von $400 erworben und obwohl der Verlust schmerzte, weil ich es liebevoll gepflegt hatte, war es nicht das Ende der Welt. Ich meldete den Vorfall per Telefon bei der Polizei (wenn's kein Notfall ist, ruft man in San Francisco die Nummer 553-0123 an) und war überrascht, dass noch am selben Tag ein Polizistenduo vorbeikam, in der Garage herumschaute und etwas in Notizbücher kritzelte. Nun, ich machte mir keine großen Hoffnungen und vergaß die Sache bald.

Abbildung [2]: Der Einbrecher hat das Stahlkabel einfach mit einem Bolzenschneider durchgezwickt.

Sechs Monate später rief plötzlich ein Streifenpolizist von der Innenstadtwache San Francisco bei uns zuhause an und teilte Angelika mit, dass er mein Fahrrad gefunden hätte. Ich war sehr verduzt, und wurde beauftragt, am Abend nach der Arbeit auf der Polizeiwache in der 6th Street in San Francisco vorzusprechen.

Dazu muss ich sagen, dass es in San Francisco ja pennermäßig lang nicht mehr so schlimm zugeht wie vor 20 Jahren, aber wer wirklich einen bleibenden Eindruck von den tiefsten Abgründen menschlicher Existenz sehen will, dem empfehle ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit auf der 6th Street von der Market Street runter zur Mission Street zu laufen. Man kommt sich vor, wie in der Zombieserie "Walking Dead", immer auf der Hut, nicht von einer Horde völlig mit Drogen vollgepumpten kaputten Typen langsam eingekreist, angenagt und schließlich abgefieselt zu werden. Dabei machen die Leute dort keinen richtig gefährlichen Eindruck, und ich glaube zudem, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass sich dort jemand eine Waffe leisten kann, weil wohl alles Geld für Crackpfeiferl draufgeht.

Abbildung [3]: Die etwas dubios aussehende Polizeiwache auf der 6th Street in der Innenstadt San Franciscos.

Ich stand also wie ein Depp mit meinem laptopgefüllten Rucksack vor einer zwar merkwürdig heruntergekommenen (Abbildung 3) aber offensichtlich echten (Amerika-Fahne, Überwachungskameras) geschlossenen Polizeiwache, rief schließlich den Herrn Wachtmeister nochmal an und fragte, was los sei. Ja, sagte der, es wäre etwas dazwischen gekommen, aber ein Kollege würde bald vorbeikommen und mir mein Fahrrad wiedergeben. Prompt sah ich auch einen Dreiertrupp Polizisten die 6th Street runter marschieren, und fragte sie nach dem offensichtlich bereits heimgegangenen Kollegen. Sie wussten Bescheid und einer der drei wies mich an, ihm zu einer Garage zu folgen. Auf dem Weg dorthin hielt er mehrere Obdachlose an und durchsuchte sogar deren Taschen, immer mit mir im Schlepptau, und ich fluchte schon innerlich, dieser Übergabe zugestimmt zu haben.

Aber siehe da, nach einigen Minuten kamen wir an einer Abstellkammer an, der Polizist schloss auf und dort stand eine stark ramponierte Version meines Fahrrads. Der Rahmen war der gleiche wie bei dem von mir gestohlenen, aber alle anderen Teile wie Lenker, Sattel, und Gangschaltung waren durch billige Versionen ersetzt worden. Die Bremsen fehlten gar ganz. Der Polizist fragte noch, ob das Fahrrad in fahrbarem Zustand wäre, was ich mit einer Handbewegung auf die fehlenden Bremsen verneinte, aber ich nahm das Häufchen Elend trotzdem dankend in Empfang, schließlich hatten sich die Polizisten redlich bemüht, mein gestohlenes Eigentum wieder zu beschaffen. Ich rief Angelika an, die mit dem Auto reinfuhr, und schließlich brachten wir das Fahrrad heim, wo es seitdem in der Garage gespannt auf einen neuen Einbrecher harrt.

Abbildung [4]: Ein Bait-Bike-Aufkleber soll Fahrraddiebe abschrecken.

Die Polizisten baten mich darum, auf dem Fahrrad einen sogenannten "Bait-Bike"-Aufkleber anzubringen (Abbildung 4). Das kannte ich noch nicht, aber ließ mir erklären, dass die Polizei in San Francisco angeblich bestimmte Fahrräder mit versteckten Sendern präpariert, die, falls das Lockvogel-Fahrrad gestohlen wird, den Fahndern auf die Spur helfen. Jedes Fahrrad damit auszustatten, wäre natürlich zu teuer, also pappt man auf alle anderen Fahrräder einen Aufkleber drauf, der angeblich die Diebe abschreckt. Ob das funktioniert, wage ich zu bezweifeln, aber es kostet ja nichts.

Fahrraddiebe können in San Francisco nach Belieben ihrem Handwerk nachgehen, ohne dass jemand einschreitet. Zeitungsmeldungen und sogar ganze Videos von Fahrraddieben in Aktion (Abbildung 1) belegen dies. Zur allgemeinen Erheiterung entpuppt sich der gefürchtete Garagenknacker auch ganz anders, als man das zunächst vermuten würde: Ein weißes Bürscherl mit Rucksack, das so aussieht, als wäre es gerade dem Google-Bus entsprungen!

Abbildung [5]: Auf dieser Webseite soll man sein Fahrrad mit Bild registrieren.

Das Geschäft mit gestohlenen Fahrrädern scheint sich zu lohnen in der Bay Area. Es sind sogar wissenschaftliche Artikel über die wirtschaftlichen Aspekte des Vertriebs gemopster Drahtesel geschrieben worden. Und einmal hat sogar jemand die Kleinanzeigen-Webseite Craigslist nach seinem gestohlenen Rennrad durchforscht, wurde im 800km nördlich gelegenen Portland im Bundesstaat Oregon fündig, fuhr dort hin und stellte den Dieb zur Rede. Sehenswert!

Steigende Kleinkriminalität

Abbildung [6]: Penner klaut am Hauseingang ins Blumenbeet gesetzte Fleischpflanzen.

Michael Die Bürger teilen sich in zwei Lager: Während die eine Seite die steigende Kriminalität nicht so schlimm findet, regt sich die andere auf, wenn Penner ihre auf dem Gehweg vor ihrem Haus eingetopften Pflanzen klauen und ans nächstgelegene Pflanzenparadies verhökern. Neulich wurde sogar einer auf frischer Tat von einer am Hauseingang angebrachten Spotcam gefilmt (Abbildung 6)! Auf Nextdoor entbrannte daraufhin die Diskussion zwischen Law-and-Order Schrebergärtnern und hoffnungslosen Althippiedeppen, die ihre Kinder auf Montessorischulen schicken und von denen es in San Francisco nur so wimmelt.

Oder die Paketdiebe: Da die Paketboten bei uns im Viertel ausgelieferte Pakete oft vor der Tür ablegen, wenn niemand zuhause ist, patroullieren heruntergekommene Gestalten die Straßen, um die Lieferungen von der Türschwelle weg zu stehlen. Da die reichen Schnösel heutzutage oftmals sogenannte Dropcams installiert haben, die auch technisch nicht so Begabte leicht handhaben können, landen diese Klauvideos oft auf Youtube, wie ein kürzlich erschienenes Video zweier Paketdiebe in Noe Valley. Eine chinesischen Dame in unserem Viertel wurde es zuviel, als wieder und wieder Pakete verschwanden, sie lauerte dem Dieb auf, jagte ihm mit einem gezücktem chinesischem Schwert (einem sogenannten "Bokken") hinterher und betäubte den Dieb mit im Outdoor-Laden gekauften Bärenspray. Allerdings ist Selbstjustiz auch in Amerika nicht erlaubt und der Anwalt des Paketdiebs strebt nun seinerseits gerichtliche Mittel an.

Abbildung [7]: Die Überwachungskamera filmt den Paketdieb beim Betreten des Vorgartens.

Aber es kommt noch schlimmer. Einige Bürger wurden letztens des nachts mit vorgehaltener Waffe von einigen anscheinend eigens aus anderen Stadtvierteln angereisten "Young African Americans" ausgeraubt. Da viele Techies auch nachts noch Rucksäcke mit Macbooks herumschleppen, die 1000 Dollar kosten und jeder ein 600 Dollar teures Smartphone in der Tasche hat, lohnen sich die Überfälle, zumal das Risiko, geschnappt zu werden, relativ gering ist, denn die Polizei zeigt wenig Präsenz in den reichen Vierteln San Franciscos. Vor kurzem wurde sogar ein Überfallopfer von den Nichtsnutzen erschossen! Mittlerweile überlegt es sich so mancher Partygänger dreimal, bevor er nachts noch fünf Straßenblocks durch unser an sich sicheres Viertel läuft. Auch der Hans Dampf der Stadtpolitik, Stadtrat Scott Wiener, ist anscheinend aufgewacht und plant nun, mehr Geld für Streifenpolizisten auszugeben, die Tag und Nacht durch die Bonzenviertel patroullieren. Wie immer in San Francisco müssen erst die Bürger dieses Vorhaben ratifizieren, in Bälde kommt der Vorschlag auf die "Ballot", also auf die Abstimmungsliste.

Sintflutartige Regenfälle

Abbildung [8]: Bei ein bisschen mehr Regen staut sich auf San Franciscos Straßen schnell das Wasser. Foto: Frédéric Poirot

Angelika Letzten Donnerstag bescherte uns der Wettergott so heftige Regenfälle, dass in San Francisco und Umgebung Land unter angesagt war. Nun brauchen wir in Kalifornien ja wegen der anhaltenden Dürreperiode dringend den Regen, aber da die Erde sozusagen knochentrocken ist, versickert nichts im Boden und es kommt bei starkem, anhaltenden Regen gleich zu Überschwemmungen. Die völlig veraltete Infrastruktur mit nur schlecht ausgebesserten Straßen hilft dabei auch nicht.

Abbildung [9]: Der Yahoo-Bus kämpft sich am Morgen durch sintflutartige Regenfälle.

Ich muss gestehen, dass mir das Tamtam, das die Presseleute am Mittwoch um den angekündigten Sturm machten, etwas auf die Nerven ging. Bei Regen drehen im sonnenverwöhnten Kalifornien immer gleich alle durch und machen aus einer Mücke einen Elefanten. Regen löst bei mir in der Regel nur ein müdes Lächeln aus, schließlich bin ich im Norden Deutschlands aufgewachsen und diesbezüglich nicht verweichlicht. Als dann am Mittwochabend mehrere Schuldistrikte in der Bay Area ankündigten, dass am Donnerstag die Schule ausfällt wegen des Sturms, verdrehte ich dann doch etwas die Augen. Bei uns damals war das schließlich nur bei überfrierendender Nässe der Fall oder wenn orkanartige Böen der Windstärke 10 über Niedersachsen tobten.

Abbildung [10]: Dieser Bürger wappnet sich mit Sandsäcken gegen Überflutungen nach dem langen Regen.

Abbildung [11]: An dieser Sandsackkonstruktion muss der Hausbesitzer wohl noch Hand anlegen.

Auch unsere Weihnachtsfeier in der Arbeit wurde abgesagt. Donnerstagmorgen schaute ich dann aber doch dumm aus der Wäsche, als ich versuchte, mit dem Auto zur Arbeit zu gelangen. Denn die Unterführung an der Cesar Chavez Street, die ungefähr 7 Minuten von unserer Wohnung entfernt liegt und durch die ich durchbrausen muss, um auf den Freeway mit der Nummer 80 zu gelangen, stand unter Wasser und es gab kein Durchkommen mehr. Gott sei Dank hatte sich schon ein kleines Politessenauto auf der Straße quergestellt, sodass niemand unbedacht ins tiefe Wasser fuhr und mit dem Auto absoff. Allerdings stellte sich nun das Problem für mich, dass es weder vorwärts noch rückwärts ging, denn vor mir war ein kleiner See und hinter mir eine Autoschlange.

Abbildung [12]: Der Surf-Strand in Pacifica ist wegen des Regens geschlossen.

Die Politesse hielt uns dann einfach an, auf der vierspurigen Straße umzudrehen, was nicht so ganz einfach war, denn in der Straßenmitte befindet sich eine randsteinhohe Abtrennung, um die Fahrspuren kurz vor der Unterführung voneinender zu trennen. Es gab nicht viel Platz zum Wenden, und ich musste über den Randstein der Absperrung drüberfahren, aber irgendwie kriegte ich es hin und fuhr wortlos wieder nach Hause. Am Freitag hatte sich dann alles wieder soweit beruhigt. Michael ist allerdings todunglücklich, denn als er am Wochenende wie immer in Pacifica zum Surfen wollte, wies ein Schild am Strand darauf hin, dass das Ozeanwasser kontaminiert ist, weil Abwasser durch den Sturm in den Pazifik floss, und dringend vom Betreten des Wassers abgeraten wird. Ein Elend!

Endlosbaustellen

Abbildung [13]: Für diese Bruchbude links hat ein Neureicher 1 Million Dollar bezahlt.

Michael Irgendwas stimmt auf amerikanischen Baustellen nicht. Egal, ob es ein Riesenprojekt wie die Bay Bridge ist oder die Renovierung einer Bruchbude um die Ecke: Alles zieht sich jahrelang hin. Anscheinend gibt es für den Bauherrn keine bezahlbare Möglichkeit, vertraglich abzusichern, dass ein Gebäude zu einem vorher gesetzten Termin beziehbar ist. Nach meinen Beobachtungen in der Nachbarschaft dauert eine einfache Hausrenovierung im Schnitt ein Jahr. Die Bay Bridge zu erneuern hat bekanntlich 30 Jahre gedauert.

Abbildung [14]: 1 Million für die zusammenfallende Hundehütte in der Mitte, kein Scherz.

Bei uns um die Ecke hat zum Beispiel ein reicher Volltrottel ein reparaturbedürftiges Haus für sage und schreibe 1.000.000 (eine Million Dollar) gekauft, hat die dort wohnende Familie auf die Straße gesetzt und lässt es jetzt von einer mexikanischen Baufirma instandsetzen. Ende 2013 fanden sich ein paar Bauarbeiter ein, um daran herumzuwerkeln, aber eher lustlos, fast hobbymäßig. Sie fingen morgens um halb acht wild zu hämmern und zu sägen an, um dann ab neun Uhr in eine stundenlange Lethargie zu verfallen, später hin und wieder unmotiviert herumzuklopfen, aber bis abends nichts mehr Produktives zu erledigen. Mittlerweile lärmt die Firma "Rodriguez Builders" schon fast ein ganzes Jahr im und am Haus herum, und wirft den ganzen Baumüll in den Vorgarten. Mal kommt nur ein Arbeiter, der ein bisserl herumklopft, mal kommen drei und sie machen am sonnigen Samstagnachmittag einen infernalen Krach mit der Kreissäge, die sie alle Stunde mal anstellen und Bretter einzeln sägen, statt den ganzen Stoß auf einmal zu erledigen und Ruhe zu geben.

Abbildung [15]: Misstrauisch beäugt der Bauarbeiter die Kreissäge. Säg' ich heut' noch, oder verschieben wir's auf morgen?

Das wirft die Frage auf: Wie kann jemand, der eine Million in ein Holzhaus investiert, so blöd sein, die Baufirma nach Gutdünken schalten und walten zu lassen und den Fertigstellungstermin beliebig nach hinten zu verschieben? Man sollte doch meinen, dass der Hausherr daran interessiert sei, dass das Haus schnellstmöglichst bezugsfertig ist, um entweder selbst einzuziehen oder dafür fünftausend Dollar Miete im Monat einzufahren. Vielleicht ist dem neuen Eigentümer aber auch das Geld ausgegangen und er schuttelt bewusst so lange an dem nun unbewohnbaren Haus herum, damit er keine Grundsteuer zahlen muss (immerhin etwa 14.000 Dollar im Jahr), weil ihn das in den finanziellen Abgrund stürzen würde? Nix genaues weiß man nicht, aber wer eine Million für eine Bruchbude zahlt, ist wahrscheinlich von Natur aus nicht sehr helle, insofern kann es durchaus sein, dass er einfach blindlings ins Netz der Immobilienspinne gelaufen ist, die ihn nun genüsslich aussaugt. Geschieht dem Deppen recht.

Abbildung [16]: Bauarbeiter ratscht am Telefon.

Abbildung [17]: Jede Baustelle muss die von der Stadt erteilte Genehmigung aushängen.

Neulich kam in den Nachrichten, dass der Facebook-CEO Mark Zuckerberg ein Gebäude in unserem Viertel zu einem horrenden Preis gekauft hat, und sich die Nachbarn schon beschwert haben, weil die Baufirma bereits seit einem Jahr jeden Tag lautstark daran herumfuhrwerkt. Das "Fort Zuckerberg" hat übrigens 10 Millionen Dollar gekostet. Nachts sitzt auf der Baustelle ein Wächter, der Zuckerberti hat's ja.

Las Vegas, Baby!

Abbildung [18]: Das "Main Street Casino" im alten Teil von Las Vegas

Angelika Immer wieder zieht es uns nach Las Vegas, denn hier haben wir uns im zarten Studentenalter kennen gelernt, als wir beide unabhängig voneinander in den langen Semesterferien auf USA-Tour waren. Las Vegas erfindet sich immer wieder neu und in einem Tempo, mit dem man kaum mithalten kann. Als Studenten suchten wir damals Las Vegas vor allem wegen der unschlagbaren Preise im Spielerparadies auf: All-you-can-eat-Buffets für 5 Dollar und billige Mietautos, um damit in die Nationalparks zu brausen. Später zogen am Las-Vegas-Strip die themenbezogenen Casinos ein wie das "New York New York", "Treasure Island" und das pyramidenförmige "Luxor".

Dann kam eine Dürreperiode, und kaum noch jemand wollte nach Las Vegas reisen, und wenn, dann nur zu absoluten Schlagerpreisen. Wer gegen den Trend schwamm, konnte für 150 Dollar pro Nacht absolute Traumzimmer mieten, teilweise mit zwei Etagen oder runden 1000-Liter-Badewannen. Mittlerweile geht der Trend hin zum ultramodernen Hotelbettenturm, Beispiele sind das "Aria" und das "Cosmopolitan" mit modernen Zimmern und allerhand technischem Schnickschnack für die IPhone- und YouTube-Generation.

Abbildung [19]: Auf der Fremont Street in Las Vegas Old Town sieht es noch aus wie früher.

Die Preise sind in Las Vegas dementsprechend explodiert. Günstige Zimmer gibt es am Las-Vegas-Strip kaum noch und Buffets zum Schlagerpreis sind wie CDs vom Austerben bedroht. Restaurants von internatonal berühmten Küchenchefts wie Gordon Ramsey, Wolfgang Puck, Joel Robuchon sind der neue Trend des 21. Jahrhunderts. Wenn man wie wir aus dem kulinarischen Paradies San Francisco kommt, muss der Küchenchef sich schon mächtig anstrengen, um uns zu begeistern. Auch nehmen es die meisten Restaurants in den Casinos am Strip mittlerweile so von den Lebendigen, dass selbst wir, die hohe Preise aus San Francisco gewohnt sind, nur noch mit den Kopf schütteln, zumal wenn wir in San Francisco für ein vergleichbares Mahl die Hälfte zahlen würden. Die Restaurants am Strip haben wohl herausgefunden, dass es Geschäftskunden aus den ländlichen Gegenden Amerikas während eines Kurzurlaubs in Las-Vegas egal ist, wieviel ein Abendessen kostet, und sie den Unterschied zu exzellenter Küche eh nicht bemerken würden, da sie sonst nur mit Baseballkappe im lokalen Diner abendessen.

Abbildung [20]: Früher gab es haufenweise solcher Restaurants.

Das Restaurant "L'Atelier de Joel Robuchon", das sich im MGM-Casino am Strip befindet, probierten wir dennoch aus und wurden nicht enttäuscht. Hier stimmt das Preisleistungsverhältnis noch und das Essen ist klassisch französisch aber mit modernen Noten. Im Gegensatz zu dem förmlicheren Restaurant "Joel Robuchon", das sich gleich daneben befindet und auch einige Klassen teurer ist, sitzt der Gourmetliebhaber im L'Atelier wie am Tresen und kann Köchen beim Zubereiten der Speisen zuschauen. Ebenfalls in der gehobenen Preiskategorie, aber zumindest hervorragendes Essen und ausgesuchte Weine.

Abbildung [21]: Diesen Slogan würde wohl heute keiner mehr für ein Casino verwenden.

Aber wir haben uns bei unserem letzten Besuch in Las Vegas auch immer wieder vom Las Vegas Boulevard ("The Strip") mit seinen glitzernden Casinos entfernt und sind auf Entdeckungsreise gegangen. So waren wir seit langem einmal wieder in Downtown Las Vegas, dem eigentlichen Geburtsort der Casinos, wo lange Zeit der kriminelle Mob getobt hat. Das zwar teure, aber sehenswerte Mob-Museum dort gibt einen Eindruck davon, was zu den Zeiten von Al Capone und Machine-Gun-Kelly los war.

Abbildung [22]: In Downtown Las Vegas spielen hauptsächlich ältere Semester an den Slot-Maschinen.

Downtown Las Vegas verblasste aber bereits in den 60er Jahren immer mehr, als am "Strip" der Bauboom begann und die Casinos dort ihre Tore öffneten. Die Spielhöllen in Downtown verloren ihren Glanz und zogen immer mehr ein Publikum an, das lieber an Fünf-Cent-Automaten der Spielsucht frönte, die sogenannten "Low Rollers". Allerdings hat nun kürzlich eine gewisse Nostalgiewelle eingesetzt und viele sind wieder auf der Suche nach dem alten Las Vegas. Die Inneneinrichtung des "Main Street Station Casinos" befördert einen dann gleich in eine andere Ära. Der CEO von Zappos (ein bekannter Onlineshop für Schuhe), Tony Hsieh, hat sich nun zum Ziel gesetzt, Las Vegas Downtown völlig umzukrempeln und ein jüngeres Klientel in den lange vernachlässigten Stadtteil zu locken.

Abbildung [23]: Der neu geschaffene "Container Park" in Old Town Las Vegas.

Zunächst verfrachtete Hsieh die Hauptgeschäftstelle seiner Firma nach Downtown Las Vegas and dann investierte er 350 Millionen Dollar seines Privatvermögens in das sogenannte Downtown-Projekt. Die Idee ist, kleine unabhängige Geschäfte, Firmen und Restaurants in Downtown Las Vegas anzusiedeln. Der sogenannte Containerpark auf der Fremont-Street repräsentiert das Projekt ziemlich gut. In kleinen containerartigen Gebäuden befinden sich Geschäfte und Restaurants, die um einen großen Spielplatz herum angesiedelt sind. Weit über das Gelände verstreut laden Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen und Verweilen in der Sonne ein.

Abbildung [24]: Tische und Stühle laden zum Verweilen ein.

Ein wirklich ansprechendes Konzept, denn in Las Vegas findet man in der Regel nur noch Kettengeschäfte. In diesem Containerpark entdeckte ich dann auch das nette Geschäft "Blu Marble" (siehe Toppprodukt weiter unten). Die ersten berühmten Chefköche haben ebenfalls den Trend entdeckt und eröffnen kleinere Restaurants in Downtown Las Vegas. Kerry Simon, ein bekannter Chefkoch in Las Vegas, setzte mit dem neuen Restaurant "Carson Kitchen" ein Zeichen. Wir haben es natürlich gleich ausprobiert. Das Essen war super lecker und wurde zu einem vernünftigen Preis angeboten. Und wir fühlten uns, als würden wir in einem Restaurant in San Francisco sitzen. Ja, es tut sich etwas in Downtown Las Vegas.

Toppprodukt: Blu-Marble-Kette

Abbildung [25]: Die Kette von Blue Marble

Angelika Las Vegas ist nicht gerade eine Stadt, in der Umweltschutz groß geschrieben wird. Ich würde einmal behaupten, dass Las Vegas auf der Top-10-Liste der Umweltsünder steht. Recycling befindet sich immer noch in den Kinderschuhen. Man stößt zwar mittlerweile auf Mülleimer am Flughafen, in denen der Reisende seinen Müll trennen kann, aber die Casinos sind leider noch nicht Trendführer in Sachen Recycling.

Deswegen war ich ganz aus dem Häuschen, als ich im neuen Containerpark in Downtown Las Vegas das kleine Geschäft mit dem schönen Namen "Blu Marble" entdeckte. Dort gab es allerlei Sachen aus Glas, unter anderem auch schöne Ketten mit Glasanhängern. Bei den Ketten musste ich natürlich gleich zuschlagen und als ich den großen runden Glasanhänger genauer betrachtete, fielen mir die Gänse auf, die im Glas eingearbeitet waren und mich sehr an die auf der bekannten Wodkaflasche "Grey Goose" erinnerten. Die Verkäuferin im Laden klärte mich dann auf, dass alle ihre Produkte aus Flaschen hergestellt werden, die sie von den Casinos in Las Vegas erhalten und die sonst im Müll landen würden. Der Anhänger meiner Kette war tatsächlich früher eine "Grey-Goose-Flasche" gewesen. 15.000 Flaschen sammelt Blu Marble im Monat vom Las Vegas Strip ein. Toppidee und Toppprodukt.

Schnurrbartmonat November

Abbildung [26]: Mein Schnurrbart Mitte November.

Michael Einer der etwas skurrileren Bräuche in unserer verrückten Gegend ist, dass sich viele Männer im Monat November einen Schnurrbart wachsen lassen. Da Schnurrbart auf Amerikanisch "Mustache" heißt, spricht man deshalb auch gern vom Monat "Movember".

Das Ganze dient einem guten Zweck, denn die Schnurrbartträger machen damit auf typisch männliche Krankheiten wie Prostatakrebs aufmerksam, die sich durch rechtzeitig durchgeführte Vorsorgeuntersuchungen schnell erkennen und oft gut behandeln lassen.

In der Firma hat zum Beispiel unser Abteilungsleiter für jeden Mitarbeiter, der sich Anfang November glatt rasierte und dann 30 Tage lang einen Schnurrbart wachsen ließ, $100 in die Kasse der Movember-Foundation gespendet, die damit irgendwelche Gesundheitsprogramme finanziert. Ich war natürlich mit dabei, ließ mir einen beachtlichen Schnurrbart wachsen und konnte mir oft das Lachen nicht verkneifen, wenn ich mal wieder in einem Meeting mit zehn Schnurrbartträgern saß. Wegen Gleichberechtigung durfte natürlich auch die Damenwelt mitmachen, wer auf der Abschlusskundgebung Ende November mit einem aufgeklebten Schnurrbart erschien, wurde ebenfalls mitgezählt.

Grüße aus dem verrückten Land:

Angelika & Michael

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Letzte Änderung: 22-Mar-2015